Rz. 202

Nach § 61 VVG a.F. war der Versicherer wie bei Vorsatz auch bei grober Fahrlässigkeit völlig leistungsfrei. Die nachfolgende Rechtsprechungsübersicht betrifft Entscheidungen, die vor Inkrafttreten des VVG 2008 ergangen sind.

 

Rz. 203

Der Versicherungsnehmer, der trotz gesonderter Belehrung gem. § 28 Abs. 4 VVG die Frage nach dem Alkoholkonsum des Fahrers nicht beantwortet, begeht eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung, wenn ihm der erhebliche Alkoholkonsum bekannt ist. Diese ­vorsätzliche Obliegenheitsverletzung führt zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers.[215] Die Entscheidung befasst sich nicht mit dem Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 VVG, der auch bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung geführt werden kann.[216]
Es liegt eine arglistige Obliegenheitsverletzung vor, wenn der Versicherungsnehmer "blind" eine Schadenanzeige mit objektiv falschen Angaben zu Vorschäden unterzeichnet.[217] Der Versicherungsnehmerin wurden die vorsätzlich falschen Angaben zugerechnet, die der Ehemann beim Ausfüllen des Schadenformulars gemacht hatte. Dieser wiederum hatte die Frage nach Vorschäden "ins Blaue hinein" verneint, obgleich das Fahrzeug nahezu ausschließlich von seinem Sohn benutzt wurde, der bereits eine Vielzahl von Schäden ­verursacht hatte.
Wenn ein Versicherer die AVB nicht dem VVG 2008 angepasst hat, sind die Sanktionen bei vertraglichen Obliegenheitsverletzungen nach altem Recht unwirksam, es kommt auch kein Leistungskürzungsrecht gem. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG 2008 in Betracht.[218] Ein Informationsschreiben, das nur über die neue Gesetzeslage informiert, ist keine Vertragsanpassung.[219]
Falsche Angaben zur Kilometerleistung eines entwendeten Fahrzeuges führen dann nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn keine Arglist vorliegt und der Versicherer die höhere Fahrleistung bereits aufgrund der Schlüsselauswertung kannte.[220]
[215] LG Paderborn, 4 O 96/10, zfs 2011, 98.
[216] Rixecker, Anm. zum Urteil des LG Paderborn, 4 O 96/10, zfs 2011, 98.
[217] OLG Saarbrücken, 5 U 88/10, r+s 2011, 326.
[219] OLG Hamm, 20 U 64/11, zfs 2012, 328.
[220] KG, 6 U 103/10, r+s 2011, 15 = VersR 2011, 789.

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