Rz. 224

Es gibt für die Parteien zahlreiche Möglichkeiten, den Vertrag einseitig zu beenden. Dabei muss die Kündigung des Auftragnehmers (vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen) stets auf einem normierten oder ungeschriebenen Kündigungsgrund beruhen, während der Auftraggeber auch die Möglichkeit hat, den Vertrag jederzeit "frei", also ohne wichtigen Grund zu kündigen (§ 8 Abs. 1 VOB/B; § 649 BGB).

 

Rz. 225

Hinsichtlich der Abrechnung nach der Kündigung ist allerdings in allen Fällen im Grundsatz nur zu unterscheiden, ob der Auftragnehmer lediglich die Vergütung für die erbrachten Leistungen beansprucht oder ob er daneben auch Vergütung für die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen beanspruchen kann und möchte. Auch wenn er zur Abrechnung der nicht erbrachten Leistungen berechtigt ist, muss er dies natürlich nicht, sondern kann sich auf die erbrachten beschränken.[275]

[275] Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Kniffka, Teil 8 Rn 46.

1. Allgemeine Voraussetzungen

 

Rz. 226

Zunächst ist jedoch zu beachten, dass auch bei der Abrechnung eines gekündigten Werkvertrags die oben dargestellten Voraussetzungen gegeben sein müssen. Das heißt vor allen Dingen:

 

Rz. 227

Auch beim gekündigten Vertrag ist Fälligkeitsvoraussetzung die Abnahme[276] oder der anderweitige Eintritt der Abnahmewirkungen.[277] Die früher vertretene Ansicht, dass dies nicht erforderlich sei, ist überholt. Der Beurteilung unterliegt dann nur noch die bis zur Kündigung erbrachte Teilleistung; ist diese ohne wesentliche Mängel, muss die Abnahme erklärt werden.[278] Die fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B kommt nach der Kündigung allerdings nicht in Betracht;[279] das dürfte in gleicher Weise für die fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB gelten.
Auch bei gekündigtem Vertrag muss der Auftragnehmer eine prüfbare Abrechnung vorlegen,[280] § 8 Abs. 6 VOB/B. Diese ist – wie oben Rdn 190 erläutert – beim VOB-Vertrag sowie bei einem Bauvertrag gem. dem aktuell gültigen gesetzlichen Bauvertragsrecht Fälligkeitsvoraussetzung,[281] beim "alten" BGB-Vertrag aber auch Voraussetzung für die schlüssige Darlegung. Der Gesichtspunkt der schlüssigen Darlegung gewinnt beim gekündigten Vertrag allerdings erheblich an Bedeutung.
Im Rahmen eines gekündigten VOB-Vertrages ist hinsichtlich der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs zudem der Ablauf der Prüffrist bzw. die Mitteilung des Prüfergebnisses zu beachten (siehe oben Rdn 190). § 16 Abs. 3 VOB/B unterscheidet nicht zwischen der Schlussrechnung nach vollständig durchgeführtem oder vorzeitig gekündigtem Vertrag.
[277] Vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, § 648 Rn 27.
[278] Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, § 648 Rn 24.
[280] BGH v. 9.10.1986 – VII ZR 259/85 – BauR 1987, 95.

2. Abrechnung der erbrachten Leistungen

 

Rz. 228

In allen Fällen des gekündigten Werkvertrags steht dem Auftragnehmer die Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu;[282] über diese kann er also stets abrechnen.

 

Rz. 229

Erbrachte Leistungen sind alle Bauleistungen, die sich bis zur Kündigung bereits in dem Bauwerk verkörpert haben. Nicht zu den erbrachten Leistungen gehören daher im Regelfall bereits produzierte, aber noch nicht eingebaute Bauteile; das gilt auch, wenn diese bereits angeliefert sein sollten.[283] Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen:

 

Rz. 230

Im VOB-Vertrag sind gem. § 6 Abs. 5 VOB/B auch die Kosten zu vergüten, die dem Auftragnehmer bereits entstanden und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind. Dies sind in erster Linie genau die produzierten, aber noch nicht eingebauten Bauteile. Auf die Abrechnung nach § 6 Abs. 5 VOB/B wird § 6 Abs. 7 VOB/B (Kündigung bei Unterbrechung größer drei Monate) und in § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B (Kündigung im Zusammenhang mit der Insolvenz des Auftragnehmers) verwiesen, sodass das Gleiche gilt.[284]
Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich (auch, wenn dort von Auslagen die Rede ist) aus § 645 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB.[285] Demnach besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten für die bereits produzierten Bauteile, wenn der Auftraggeber Untergang, Verschlechterung oder Unausführbarkeit des Werkes zu vertreten hat. Gem. § 645 Abs. 1 S. 2 BGB gilt dies auch bei einer Vertragsaufhebung nach § 643 BGB (Kündigung bei unterlassener Mitwirkung des Auftraggebers).
Zudem kann der Auftraggeber nach Treu und Glauben verpflichtet sein, die bereits produzierten Teile abzunehmen und zu bezahlen. Das kommt dann in Frage, wenn die betroffenen Leistungen für die Weiterverwendung uneingeschränkt tauglich sind und dem Auftraggeber dies unter Abwägung der Umstände zumutbar ist.[286] In den meisten Fällen steht dem allerdings schon entgegen, dass der nachfolgende Unternehmer nicht bereit ist, die Teile zu verwenden.[287]
 

Rz. 231

Die Vergütung für die erbrachten Leistungen muss auf der Grundlage des konkreten Vertrages ermittelt werden. Dazu muss der Untern...

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