Rz. 24

Auf den zuvor geschilderten Überlegungen baute Josef Kohler ab 1874[20] seine Lehre vom Immaterialgüterrecht auf. Er trennt zunächst zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem Urheberrecht als einem "Recht an einem außerhalb des Menschen stehenden, aber nicht körperlichen, nicht fass- und greifbaren Rechtsgute". Bei Werken der Tonkunst, Dichtkunst und bildenden Kunst müsse dagegen wegen der künstlerischen Form auch das von ihm so genannte imaginäre Bild, der eigenartige Inhalt, wie etwa das Stimmungsbild, geschützt werden. Beide Rechte, Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht, seien zwar mehrfach miteinander verklammert, bildeten dennoch keine Einheit, sondern stünden getrennt nebeneinander (dualistische Theorie).

 

Rz. 25

Die monistische Theorie betont demgegenüber, dass Persönlichkeitsrecht und Vermögensrecht ein einheitliches Recht mit doppelter Funktion sei.[21] Auf dieser Grundlage entstand das österreichische Urheberrechtsgesetz von 1936 und später das deutsche Urheberrechtsgesetz von 1965. Ulmer[22] verdeutlicht die Abhängigkeit durch die "Baumtheorie", wonach die beiden Interessengruppen, also Urheber und Kulturwirtschaft, mit den Wurzeln eines Baumes vergleichbar seien, dessen einheitlicher Stamm das Urheberrecht sei. Die urheberrechtlichen Befugnisse seien die Äste und Zweige, die ihre Kraft aus den gemeinsamen Wurzeln ziehen. Folglich hätten auch die Nutzungsrechte persönlichkeitsrechtlichen Einschlag, umgekehrt entstünden aus der Verletzung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse vermögensrechtliche Ansprüche.

 

Rz. 26

Wenn trotzdem immer noch von geistigem Eigentum in Zusammenhang mit Kunstwerken gesprochen wird, so ist dies eine Unschärfe, die aber gerade in der Abgrenzung zwischen urheberrechtlichem Werk und sonstigen Leistungsschutzrechten, wie etwa dem Designrecht, eine entscheidende Rolle spielt. Die reine Unterscheidbarkeit nach objektiven Kriterien kann zu Leistungsschutz, etwa als Design, führen, erlangt aber nur dann Urheberrechtsschutz und ist damit auch nur als Kunstwerk anzusehen, wenn zum Persönlichkeitsgesichtspunkt die Individualität hinzukommt.[23]

[20] UFITA 123 (1993), S. 81; zusammenfassende Darstellung in seinem: Urheberrecht, Anschriftwerke und Ver­lagsrecht, 1907.
[21] Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, Rn 51.
[22] Urheber- und Verlagsrecht, S. 116 ff.
[23] Vgl. dazu Delp, Das Recht des Geistigen Schaffens, S. 138 ff.

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