Rz. 118

Das 15-jährige Kind K wohnt bei seinem Vater M, der das Kindergeld bezieht und der ein bereinigtes Nettoeinkommen von 5.000 EUR hat. Die barunterhaltspflichtige Kindsmutter F hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.500 EUR. Sonstige Unterhaltspflichten bestehen nicht (mehr). Unterhaltspflicht der F gegenüber K?

I. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 119

F ist K barunterhaltspflichtig, § 1601 BGB.

M erfüllt seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes, § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB.

II. Bedarf von K

 

Rz. 120

F hat 2.500 EUR. Es gilt grds. Einkommensgruppe 3 der DT. Aber F ist nur einer Person unterhaltspflichtig. Deshalb erfolgt eine Höherstufung um eine Gruppe in Einkommensgruppe 4 der DT.

Zahlbetrag somit: 503,50 EUR (613 – 109,50 EUR).

Zur Problematik des Bedarfs nach dem zusammengerechneten Einkommen wird auf Fall 1 (siehe Rdn 5) verwiesen.

 

Hinweis

Da nur die Zahlungspflicht des barunterhaltspflichtigen Elternteils hier von Bedeutung ist und dessen Haftung ohnehin auf den Bedarf begrenzt ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16 Rn 13), der sich aus seinem Einkommen – und nicht aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile – ergibt, ist es vorliegend und in vielen Fällen gerechtfertigt, den Bedarf nur anhand des Einkommens des Barunterhaltspflichtigen zu ermitteln.[27] Bedeutung erlangt der aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern ermittelte Barunterhaltsanteil des betreuenden Elternteils – er leistet diesen in Form von Naturalunterhalt –, wenn daneben ein Ehegattenunterhaltsanspruch besteht. Denn diese Unterhaltsverpflichtung reduziert das Einkommen des unterhaltsberechtigten Elternteils (BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16 Rn 14), was zu einer Erhöhung des Ehegattenunterhaltsanspruchs führen kann – oder zu einer Reduzierung der Unterhaltspflicht, wenn der betreuende Elternteil Ehegattenunterhalt schuldet.

[27] Als "abgekürzte Unterhaltsermittlung" wird dies bezeichnet bei Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, § 2 Rn 206 ff.

III. Leistungsfähigkeit der F

1. Wahrung des notwendigen Selbstbehalts

 

Rz. 121

Der notwendige Selbstbehalt von F (1.160 EUR) bleibt gewahrt. Ihr verbleiben nach Zahlung des Unterhalts 1.996,50 EUR (2.500 – 503,50 EUR).

2. Wahrung des angemessenen Selbstbehalts

 

Rz. 122

Auch der angemessene Selbstbehalt der F (1.400 EUR) ist gewahrt. Eine Surrogatshaftung/Subsidiaritätshaftung des betreuenden M zur Wahrung des angemessenen Selbstbehalts (1.400 EUR) der F ist nicht erforderlich (so aber im Fall 8, Rdn 111 ff.).

3. Vermeidung eines erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen M und F

 

Rz. 123

Vollständige oder teilweise Surrogatshaftung/Subsidiaritätshaftung des betreuenden M?

M (5.000 EUR) hat nämlich ein deutlich höheres Einkommen als F (2.500 EUR).

 

BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – XII ZB 297/12 Rn 26 = BeckRS 2013, 13361

Auch der betreuende Elternteil kommt als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter in Betracht, wenn dieser in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Selbstbehaltes aufzubringen.

Um die Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) dabei nicht ins Leere laufen zu lassen, setzt die anteilige oder vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für den Barunterhalt des minderjährigen Kindes nach ständiger Rechtsprechung des Senats zusätzlich voraus, dass ohne die Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde.

Erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen M und F ohne Surrogatshaftung?

Grundsatz: Ein solches Ungleichgewicht kann grds. nur angenommen werden, wenn der angemessene Selbstbehalt (1.400 EUR) der F bei Zahlung des Barunterhalts nicht gewahrt wäre.

Dies ist hier, wie ausgeführt, nicht der Fall. Nach Zahlung des Barunterhalts verbleiben der F immer noch 2.030 EUR (2500 – 470 EUR).

Ausnahme: (Surrogatshaftung des Betreuenden, obwohl der angemessene Selbstbehalt des Barunterhaltspflichtigen gewahrt ist): Die Bejahung einer solchen Ausnahme ist das Ergebnis umfassender Billigkeitsabwägung.

 

BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – XII ZB 297/12 Rn 28

Die Frage, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, kann nicht in jedem Einzelfall schematisch durch die Gegenüberstellung der beiderseitigen, aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils gegebenenfalls auch fiktiven Nettoeinkünfte beurteilt werden.

Vielmehr ist die unterhaltsrechtliche Belastung der Elternteile im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen zu würdigen. …

a) Volle Haftung des betreuenden Elternteils

 

Rz. 124

Eine Surrogatshaftung/Subsidiaritätshaftung kommt insb. ab 3-fachem bereinigten Nettoeinkommen in Betracht.

 

BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – XII ZB 297/12 Rn 29

Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, nähert sich die Einkommensdifferenz einer Grenze, an der es unter gewöhnlichen Umständen der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen.

M hat nicht das 3-fache Einkommen, sondern das doppelte (5.000 EUR/2.500 EUR)...

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