Rz. 111

Das 15-jährige Kind K wohnt bei seinem Vater M, der das Kindergeld bezieht und der ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.000 EUR hat. Die barunterhaltspflichtige Kindsmutter F hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.700 EUR. Sonstige Unterhaltspflichten bestehen nicht (mehr). Unterhaltspflicht der F gegenüber K?

I. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 112

F ist K barunterhaltspflichtig, § 1601 BGB.

M erfüllt seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes, § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB.

II. Bedarf von K

 

Rz. 113

F hat 1.700 EUR. Es gilt grds. die Einkommensgruppe 1 der DT. Aber F ist nur einer Person unterhaltspflichtig. Deshalb erfolgt eine Höherstufung um eine Gruppe in Einkommensgruppe 2 der DT.

Zahlbetrag somit 450,50 EUR (560 – 109,50 EUR).

Zur Problematik des Bedarfs nach dem zusammengerechneten Einkommen wird auf Fall 1 (siehe Rdn 5) verwiesen.

 

Hinweis

Da nur die Zahlungspflicht des barunterhaltspflichtigen Elternteils hier von Bedeutung ist und dessen Haftung ohnehin auf den Bedarf begrenzt ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16 Rn 13), der sich aus seinem Einkommen – und nicht aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile – ergibt, ist es vorliegend und in vielen Fällen gerechtfertigt, den Bedarf nur anhand des Einkommens des Barunterhaltspflichtigen zu ermitteln.[26] Bedeutung erlangt der aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern ermittelte Barunterhaltsanteil des betreuenden Elternteils – er leistet diesen in Form von Naturalunterhalt –, wenn daneben ein Ehegattenunterhaltsanspruch besteht. Denn diese Unterhaltsverpflichtung reduziert das Einkommen des unterhaltsberechtigten Elternteils (BGH Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16 Rn 14), was zu einer Erhöhung des Ehegattenunterhaltsanspruchs führen kann – oder zu einer Reduzierung der Unterhaltspflicht, wenn der betreuende Elternteil Ehegattenunterhalt schuldet.

[26] Als "abgekürzte Unterhaltsermittlung" wird dies bezeichnet bei Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, § 2 Rn 206 ff.

III. Leistungsfähigkeit der F

1. Wahrung des notwendigen Selbstbehalts

 

Rz. 114

Zwar sind die Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig, was es rechtfertigt, ihnen – zur Sicherstellung des Mindestunterhalts – grundsätzlich lediglich den notwendigen Selbstbehalt (1.160 EUR) zu belassen (zum notwendigen Selbstbehalt siehe Nr. 21.2 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. der SüdL, Anhang Nr. 2).

 

§ 1603 Leistungsfähigkeit

(1) (…)

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden.

Der notwendige Selbstbehalt (1.160 EUR) der F ist gewahrt (1.700 – 450,50 = 1.249,50 EUR).

2. Wahrung des angemessenen Selbstbehalts

 

Rz. 115

Diese gesteigerte Unterhaltsverpflichtung wird jedoch eingeschränkt, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter den Unterhalt aufbringen kann, ohne dass sein angemessener Selbstbehalt (1.400 EUR) angetastet wird.

 

§ 1603 Leistungsfähigkeit

(1) (…)

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden.

(…)

Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; (…)

Ein "anderer unterhaltspflichtiger Verwandter" in diesem Sinne ist auch der betreuende Elternteil.

 

BGH, Beschl. v. 9.11.2016 – XII ZB 227/15 Tz. 37

Da die Antragsgegnerin danach ihren angemessenen Selbstbehalt nicht anzugreifen braucht, käme es bei im Ergebnis übereinstimmender Einkommensermittlung nicht darauf an, ob durch den Vater des Antragstellers als anderen unterhaltspflichtigen Verwandten im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB das Eingreifen einer gesteigerten Unterhaltspflicht ausgeschlossen würde.

 

BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – XII ZB 297/12 Rn 26 = BeckRS 2013, 13361

Auch der betreuende Elternteil kommt als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter in Betracht, wenn dieser in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Selbstbehaltes aufzubringen.

 

BGH, Urt. v. 4.5.2011 – XII ZR 70/09 Rn 39 ff.

Diese gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern entfällt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB aber dann, wenn ein anderer leistungsfähiger Verwandter vorhanden ist.

In solchen Fällen ist zunächst lediglich eine Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts nach § 1603 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

Dies gilt immer dann, wenn beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind, insbesondere also gegenüber privilegiert volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB (Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, FamRZ 2011, 454 Rn 33 ff.), aber auch dann, wenn beide Eltern ihren minderjährigen Kindern Barunterhalt schulden, wie dies beim echten Wechselmodell (Urt. v. 21.12.2005 – XII ZR 126/03, FamRZ 2006, 1015 Rn 14 ff.) oder dann der Fall ist, wenn beide Eltern...

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