Rz. 114

BGH, Urt. v. 12.3.2009 – VII ZR 88/08, zfs 2009, 441 = NZV 2009, 336

Zitat

BGB § 249 Abs. 2 S. 1

Der Geschädigte kann vom Schädiger die fiktiven Kosten der Reparatur seines Pkw auch dann verlangen, wenn das Fahrzeug bei einem späteren Unfall am gleichen Karosserieteil zusätzlich beschädigt worden ist, die Reparatur des Zweitschadens zwangsläufig zur Beseitigung des Erstschadens geführt hat und der Kaskoversicherer des Geschädigten aufgrund seiner Einstandspflicht für den späteren Schaden die Reparaturkosten vollständig erstattet hat.

a) Der Fall

 

Rz. 115

Der Kläger begehrte von der Beklagten Ersatz eines Schadens, der an seinem Pkw in der Waschanlage der Beklagten entstanden sein sollte. Am 10.6.2006 ließ der Kläger seinen Pkw in der Waschanlage der Beklagten waschen. Nach Ende des Waschvorgangs zeigte er dem Bedienungspersonal der Waschanlage an, dass die Frontschürze vorne links vom vorderen Kotflügel ca. 10 cm abgerissen, im 90°-Winkel abgeknickt und eingerissen sei. Ob dieser Schaden von der Waschanlage verursacht worden war, war zwischen den Parteien streitig.

 

Rz. 116

Der Kläger begehrte Ersatz des Schadens, den er nach einem Kostenvoranschlag inklusive Kostenpauschale mit insgesamt ca. 1.200 EUR netto bezifferte. Nach Klageerhebung verursachte die Ehefrau des Klägers am 28.12.2006 mit demselben Fahrzeug einen Auffahrunfall, durch den die Frontschürze vollständig funktionsunfähig wurde. Der Kläger ließ die Frontschürze erneuern, wodurch auch die bereits vorhandene Beschädigung ohne Mehrkosten behoben wurde. Die Kosten der Reparatur erhielt der Kläger von seinem Vollkaskoversicherer erstattet, den er über den Vorschaden an der Frontschürze nicht informierte.

 

Rz. 117

Das Amtsgericht hat die Klage gegen den Inhaber der Waschanlage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 118

Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht ließ offen, ob ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte entstanden ist. Ein solcher Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten sei zwar nicht durch den Unfall vom 28.12.2006 untergegangen. Der Kläger habe jedoch seinen Anspruch durch die Leistung seiner Vollkaskoversicherung verloren. Obwohl die Versicherung nicht wegen des ersten, sondern wegen des zweiten Schadensereignisses gezahlt habe, habe diese Leistung Tilgungswirkung auch für die Beklagte. Der Zweitschaden umfasse der Höhe nach vollständig den Erstschaden. Die zu seiner Beseitigung durchgeführten Arbeiten seien auch für die Reparatur des Erstschadens erforderlich gewesen. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte und die Kaskoversicherung echte oder unechte Gesamtschuldner seien. Jedenfalls bestehe zwischen ihnen Leistungsidentität.

 

Rz. 119

Das Urteil hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte war von einer Pflicht, dem Kläger den möglicherweise am 10.6.2006 entstandenen Schaden zu ersetzen, nicht frei geworden.

Für das Revisionsverfahren war davon auszugehen, dass dem Kläger wegen der Beschädigung seines Pkw in der Waschanlage ein Schadensersatzanspruch in Höhe der fiktiven Reparaturkosten gegen die Beklagte erwachsen war.

Der Kläger hatte diesen Anspruch nicht nachträglich verloren.

 

Rz. 120

Das galt zunächst für den vom Berufungsgericht angenommenen Fall, dass der Unfall vom 28.12.2006 den in der Waschanlage entstandenen Schaden erweitert hatte und der Kaskoversicherer für den gesamten Schaden eintrittspflichtig war.

Die Leistung des Kaskoversicherers hatte den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht getilgt.

 

Rz. 121

Eine Erfüllungswirkung nach § 422 Abs. 1 BGB war nicht eingetreten. Der Kaskoversicherer des Klägers und die Beklagte waren keine Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Zwischen ihnen bestand schon keine gleichstufige Verbundenheit hinsichtlich ihrer Verpflichtung zum Schadensausgleich, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung führen könnte. Die Beklagte haftete als Schädiger. Der Versicherer ist aus dem mit dem Kläger geschlossenen Versicherungsvertrag einstandspflichtig.

 

Rz. 122

Eine Befreiung der Beklagten von ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kläger konnte daher durch die Leistung des Versicherers nur eingetreten sein, wenn der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 67 Abs. 1 VVG a.F. auf den Kaskoversicherer übergegangen gewesen wäre. Dies war indes nicht der Fall. Der Versicherungsfall, aufgrund dessen der Versicherer Leistungen an den Kläger erbracht hatte, betraf nicht die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers in der Waschanlage der Beklagten. Die Leistung des Versicherers bezog sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausschließlich auf das Ereignis vom 28.12.2006 und den dabei verursachten Schaden.

 

Rz. 123

Der Kläger musste sich auf seinen Anspruch die Leistung des Versicherers nicht nach den Grundsätzen der Vorteilsausgl...

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