Rz. 42

Folgemandate sind im Arbeitsrecht die Regel. Dennoch lassen sich die Kosten von Folgemandaten bei der Annahme des ersten Mandates nicht vorhersehen.

 

Rz. 43

Wenn der Rechtsanwalt einen Arbeitgeber berät, der einen Mitarbeiter kündigen will, kann er nicht wissen, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt oder nicht. Erhebt er Kündigungsschutzklage und kommt es dann in der Güteverhandlung nicht zu einer vergleichsweisen Einigung, kann der Arbeitnehmer Zahlungsansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist zunächst zurückstellen oder in gesonderten Klageverfahren verfolgen. Dieses ist ein typisches Folgemandat. Hierbei ist nochmals auf das Widerrufsrecht hinzuweisen. Soweit für Folgeansprüche ein neuer Dienstleistungsvertrag zwischen Rechtsanwalt und Verbraucher geschlossen wird, werden auch die entsprechenden Belehrungspflichten ausgelöst.

 

Rz. 44

Kommt der Arbeitnehmer mit einer Kündigung zum Rechtsanwalt, kann dieser nicht voraussehen, ob der Arbeitgeber versucht, durch weitere Kündigungserklärungen das Arbeitsverhältnis zu beenden, ob er zur Vermeidung des Annahmeverzuges den Arbeitnehmer weiter beschäftigt oder sogar noch während einer laufenden Kündigungsfrist nach Erhebung der Kündigungsschutzklage eine fristlose Kündigung erklärt. All diese Fallkonstellationen wären typische Folgemandate auf Arbeitnehmerseite.

 

Rz. 45

Die gesetzlichen Gebühren entgelten nach § 15 Abs. 1 RVG, vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Bestimmung, die gesamte Tätigkeit des Anwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Auch § 15 Abs. 2 S. 1 RVG betont, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Folgemandate betreffen nicht das ursprüngliche Mandat, wohl aber das gleiche Arbeitsverhältnis zwischen den gleichen Parteien (ausführlich zu der Abgrenzung der Angelegenheit siehe § 2 Rdn 4).

 

Rz. 46

Nur wenn ein Auftrag erteilt wird, handelt es sich um die gleiche Angelegenheit. Der Rechtsanwalt kann mit dem Mandanten auch vereinbaren, dass der ursprüngliche Auftrag erweitert wird. Dies ist der Fall, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist Zahlungsansprüche im gleichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden sollen. Der Anwalt ist aber nicht verpflichtet, einen solchen Auftrag anzunehmen. Er kann die Annahme eines solchen Auftrages auch davon abhängig machen, dass die Zahlungsansprüche in einem gesonderten Gerichtsverfahren geltend gemacht werden. Eine andere Frage ist es, ob der Mandant durch eine derartige Mandatserteilung Obliegenheiten gegenüber der Rechtsschutzversicherung verletzt.

Auch § 15 Abs. 5 RVG regelt nur die weitere Tätigkeit des Anwalts in derselben Angelegenheit.[43]

[43] Zum Regelungsbereich des § 15 Abs. 5 RVG siehe Hartmann/Toussaint, Kostengesetze, § 15 RVG Rn 93 f.

I. Ausschlussklauseln

 

Rz. 47

Ausschlussklauseln, insbesondere in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen, zwingen den Arbeitnehmer geradezu in Folgeprozesse.[44] Der in einer Kündigungssache mit der Prozessführung beauftragte Rechtsanwalt muss erkennen oder durch Befragung ermitteln, dass der Arbeitnehmer auch ein finanzielles Interesse, gerichtet auf Ausgleich eines ihm zwischenzeitlich entstandenen und künftig entstehenden Entgeltausfalles, verfolgt. Dazu muss er prüfen, ob für die Geltendmachung der Entgeltansprüche tarifvertragliche oder auf andere Weise vereinbarte Ausschlussfristen gelten.[45] Dabei sollte der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers nach dem Inkrafttreten des Nachweisgesetzes von der Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen oder vom schriftlichen Arbeitsvertrag ausgehen können.[46] Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitnehmer sich allerdings nicht darauf verlassen, dass der Arbeitgeber die Folgen einer unrichtigen oder unterbliebenen Dokumentation der aktuellen wesentlichen Vertragsbedingungen zu tragen hat.

 

Rz. 48

Der Gesetzgeber eröffnet keinen rechtlichen Weg, über den nicht tarifgebundene Arbeitnehmer an Tarifverträge gelangen können.[47] Die Rechtsprechung sieht weder in § 7 TVG noch in §§ 2, 3 Nachweisgesetz ein Schutzgesetz und lässt Ausschlussfristen ohne Kenntnis der Arbeitsvertragsparteien laufen.[48] Dies verstößt gegen europäisches Recht,[49] sichert allerdings die Macht der Verbände. Eine Änderung dieser Praxis ist nicht in Sicht. Hier wäre der Gesetzgeber gefordert, eine Regelung zu schaffen, um die erheblichen Ungewissheiten und Risiken zu beseitigen.

 

Rz. 49

Das BAG hat zu zweistufigen Ausschlussfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers entschieden, dass mit dem Erheben einer Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmer alle durch die Kündigung bedrohten, regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich geltend mache (Wahrung der ersten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist) und die Erhebung der Kündigungsschutzklage genüge, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern (Wahrung der zweiten Stufe einer zweistuf...

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