1. Zeitpunkt der Kündigung

 

Rz. 56

Die Kündigung kann zu jeder Zeit und an jedem Ort erfolgen. Die Kündigung kann somit auch an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertag oder auch während des Urlaubs des Arbeitnehmers oder während einer Arbeitsunfähigkeit erklärt werden.[94]

 

Rz. 57

Die Unzulässigkeit der Kündigung kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Kündigung zur Unzeit erfolgt. Allerdings hat das BAG hierfür sehr enge Grenzen gesetzt.[95] Zwar ist in mehreren gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich geregelt, dass eine Kündigung nicht zur Unzeit erfolgen darf (§ 627 Abs. 2 BGB, § 671 Abs. 2 BGB, § 723 Abs. 2 BGB), und dieses Verbot besitzt nach allgemeiner Ansicht auch einen verallgemeinerungsfähigen Inhalt. Dies bedeute, so das BAG, jedoch noch nicht, dass jede zur unpassenden oder anstößigen Zeit ausgesprochene Arbeitgeberkündigung als rechtsunwirksam anzusehen sei. Es sei zu beachten, dass die unzeitige Kündigung in den gesetzlich geregelten Fällen stets nur zur Schadenersatzpflicht des Kündigenden, nicht jedoch zur Unwirksamkeit der Kündigung führe.[96] Um die Unwirksamkeit einer zur Unzeit ausgesprochenen Kündigung begründen zu können, muss somit eine massive Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Kündigungsgegners vorliegen, die die Kündigung zur Unzeit in die Nähe der ungehörigen Kündigung rückt. Dies kann der Fall sein, wenn der Erklärende absichtlich oder aufgrund einer auf Missachtung der persönlichen Belange des Empfängers beruhenden Gedankenlosigkeit einen Zugangszeitpunkt wählt, der den Empfänger besonders, also über den in der Kündigung ohnehin liegenden Nachteil hinaus, beeinträchtigt. Dies liegt aber nur in absoluten Ausnahmefällen vor. Der bloße zeitliche Zusammenhang mit einer Fehlgeburt der Arbeitnehmerin[97] reicht genauso wenig aus wie der Zugang der Kündigung am Heiligen Abend.[98] Zumindest in einem erst wenige Monate bestehenden Arbeitsverhältnis führt auch der Tod eines nahen Angehörigen nicht zu einem (auch nur temporären) Kündigungsausschluss. Denn einen Sonder-Kündigungsschutz wegen des Todes eines nahen Angehörigen, des Ehegatten oder Lebensgefährten, so das BAG, kennt das Gesetz grundsätzlich nicht.[99] Zur Unzeit kann eine Kündigung dann aber erklärt sein, wenn sie kurz vor einem Krankenhausaufenthalt in einer lebensbedrohlichen Situation erklärt wird.[100]

 

Rz. 58

Unerheblich für den Zeitpunkt der Kündigung ist, ob das Arbeitsverhältnis bereits begonnen hat oder noch nicht. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Kündigung vor Dienstantritt grundsätzlich zulässig.[101] Die Parteien können indes vereinbaren, dass die ordentliche Kündigung vor Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung ausgeschlossen sein soll. In einem solchen Fall liegt dann ein temporärer vertraglicher Kündigungsausschluss vor.

[94] BAG v. 14.11.1984, EzA § 242 BGB Nr. 38 = NZA 1986, 97.
[97] BAG v. 12.7.1990, AP Nr. 87 zu § 613.
[98] BAG v. 14.11.1984, EzA § 242 BGB Nr. 38; a.A.: ArbG Passau v. 13.5.1987– 1 Ca 16/87, n.v.
[100] BAG v. 12.12.2013, BAGE 147, 50.
[101] St. Rspr. seit BAG v. 22.8.1964, AP Nr. 1 zu § 620 BGB = DB 1964, 1705; BAG v. 2.11.1978, AP Nr. 3 zu § 620 BGB.

2. Zugang der Kündigungserklärung

 

Rz. 59

Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und muss zu ihrer Wirksamkeit somit dem Empfänger zugehen, § 130 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 60

Unproblematisch ist der Zugang gegenüber Anwesenden. Das BGB regelt den Zugang unter Anwesenden nicht. Die Willenserklärung geht dem anwesenden Arbeitnehmer in dem Moment zu, in dem sie so in seinen Empfangsbereich kommt, dass der Empfänger unter regelmäßigen Umständen Kenntnis hiervon und vom Inhalt erlangen kann. Für den Zugang einer schriftlichen Kündigungserklärung unter Anwesenden ist nicht darauf abzustellen, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt hat. Es genügt vielmehr die Aushändigung und Übergabe des Schriftstücks, sodass der Empfänger in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Mit der Übergabe des Schriftstücks ist dem grundsätzlichen Interesse an rechtzeitiger Information, auf dem das Zugangserfordernis beruht, genügt. Wird die Kündigungserklärung somit dem anwesenden Arbeitnehmer übergeben, ist sie in dem Moment zugegangen, in dem dieser die Kündigungserklärung greifen kann. Ob er die Kündigung dann an sich nimmt oder liegen lässt, ist für den Zugang unerheblich. Selbst dann also, wenn der Arbeitnehmer auf der Originalkündigung den Empfang quittiert, selber dann aber nur eine Kopie erhält, ist die Kündigung zugegangen.[102] Der Adressat einer persönlich übergebenen schriftlichen Kündigungserklärung kann ihren Zugang nicht dadurch hinauszögern oder verhindern, dass er den Brief ungeöffnet an den Überbringer zurückgibt.[103]

 

Rz. 61

 

Praxishinweis

Mehr als die Frage des Zugangs ist an dieser Stelle die Frage der Beweislast praxisrelevant. Es empfiehlt sich daher stets, den Arbeitnehmer auf einer Kopie der schriftli...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge