Rz. 41

Der klassische Gläubiger als Unternehmen steht oder stand in der originären Leistungsbeziehung zum Schuldner. Hier ist die Forderung entstanden. Der Gläubiger stellt sie dem Schuldner in Rechnung und wird regelmäßig zum Ausgleich eine Zahlungsfrist bestimmen, soweit sie nicht schon nach dem Vertrag kalendermäßig bestimmt ist und nachfolgend ggfs. nach § 286 Abs. 1 BGB anmahnen, wenn dies nicht nach § 286 Abs. 2 oder 3 BGB entbehrlich ist. Danach stellt sich die Frage, wie der Gläubiger weiter verfährt, wenn ein zeitgerechter Forderungsausgleich nicht erfolgt. Ihm stehen nun drei Grundwege zur Verfügung.

Er hat einerseits die Möglichkeit, das Inkasso selbst zu betreiben, d.h. den Schuldner einmal oder mehrfach zu mahnen, Instrumente des modernen Forderungsinkassos wie das Telefoninkasso und den Außendienst[100] isoliert einzusetzen, sodann – zumindest im gerichtlichen Mahnverfahren – die Forderung auch zu titulieren und diese letztlich im Wege der Zwangsvollstreckung versuchen beizutreiben.

 

Hinweis

Dies empfiehlt sich vorgerichtlich insbesondere dann, wenn es sich um eine im Tatsächlichen regelmäßig streitige Forderung handelt, d.h. der Streit weniger auf rechtlichem Gebiet liegt oder die Frage der Leistungsfähigkeit des Schuldners betrifft, sondern insbesondere auf der Frage, ob die Leistung des Gläubigers ordnungsgemäß bzw. im behaupteten Umfang erbracht wurde – wie beim Streit um verbrauchten Strom oder Energie. Aufgrund der Leistungsnähe sieht er sich ansonsten ohnehin dem Aufwand ausgesetzt, seinen Bevollmächtigten über die relevanten Umstände zu informieren, damit die Einwendungen zurückgewiesen werden können. Eine wesentliche Ersparnis des Aufwandes ist dann nicht erreichbar, und die Klärung der tatsächlichen Verhältnisse ist auch den Obliegenheiten des Gläubigers zuzuordnen, so dass ein Kostenrisiko verbleibt, wenn die Einwendungen – zumindest teilweise – durchgreifen. In der weiteren Folge einer rechtlichen Auseinandersetzung wird er dann regelmäßig auf den Rechtsanwalt als Rechtsdienstleister zurückgreifen, soweit eine streitige gerichtliche Auseinandersetzung naheliegt.

Er kann sich – regelmäßig nach der den Verzugseintritt begründenden ersten[101] oder auch nach einer zweiten Mahnung – professioneller Hilfe für das Forderungsinkasso bedienen, wobei ihm einerseits der Rechtsanwalt und andererseits der Inkassodienstleister als Rechtsdienstleister zur Verfügung stehen.

 

Hinweis

Hier kommen unterschiedliche Formen der Beauftragung eines Rechtsdienstleisters, insbesondere eines Inkassodienstleisters in Betracht. Einerseits kann die Beauftragung zur Einziehung der Forderung im Namen und auf Rechnung des Gläubigers durch den Rechtsanwalt oder den Inkassodienstleister erfolgen. Daneben werden insbesondere von Inkassodienstleistern aber auch die treuhänderische Abtretung, oder das Factoring in seinen unterschiedlichen Ausformungen sowie der Forderungskauf als weitere Unterarten des Forderungsinkassos angeboten. Inkassodienstleister bieten also meist ein für die Finanzplanung des Gläubigers flexibleres Auftragsportfolio an.

Dem Gläubiger stellt sich also auch die Frage nach seinem eigenen Liquiditätsbedarf und seiner gewollten finanziellen Flexibilität. Solche Zusatzleistungen bieten Rechtsanwälte regelmäßig nicht oder nur mit Kooperationspartnern an. Über Inkassodienstleister können im Ergebnis so auch Fragen der Bilanzbereinigung oder der Finanzierung mit in die Betrachtung einbezogen werden.

Die treuhänderische Abtretung ist geeignet, spätere Titelumschreibungen nach § 727 ZPO zu vermeiden, die nicht nur kostenträchtig, sondern auch aufwändig sind. Während der Rechtsanwalt sicher dann der erste Ansprechpartner ist und sein muss, wenn ein gerichtlicher Streit schon absehbar ist, stehen Inkassodienstleister stärker im Ruf, eine konsensuale Lösung mit dem Schuldner zu suchen, der auch wieder potenzieller Kunde sein kann oder gar soll und letztlich zeitlich konsequenter zu arbeiten. Auch übernehmen Inkassodienstleister die Langzeitüberwachung von untitulierten und titulierten Forderungen, was Rechtsanwälte nur selten anbieten.

Letztlich kann der Gläubiger eine Mischform zwischen den Möglichkeiten wählen, d.h. er betreibt zunächst das kaufmännische Mahnwesen bis zu einem zu bestimmenden Zeitpunkt selbst. Zahlt der Schuldner dann nicht, wird die Beitreibung im vorgerichtlichen Mahnprozess, zur Titulierung im Mahnverfahren oder auch nach der Titulierung an einen Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister übergeben. Dieser "Bearbeiterwechsel" hat häufig positiven Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft. Die Zwangsvollstreckung und/oder die Langzeitüberwachung kann der Gläubiger dann auch wieder selbst übernehmen.
[100] Beispielsweise bundesweit durch die EOS Field Services GmbH (https://de.eos-solutions.com/services/aussendienst.html), ein überregional organisiertes Außendienstnetzwerk oder viele mehr oder minder große regionale Anbieter (vgl. etwa www.akkurat-inkasso.de oder https://activedebtcollection.de...

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