Rz. 58

Die Anerkennung der im Ausland gegründeten Kapitalgesellschaft als juristische Person – einschließlich ihrer Rechtsfähigkeit – ist die bedeutendste Rechtsfolge, die sich aus dem Gesellschaftsstatut ergibt. Darüber hinaus regiert das Gesellschaftsstatut aber auch sämtliche Voraussetzungen für die Gründung der Gesellschaft, ihre Kapitalisierung, die interne Organisation einschließlich der Gesellschaftsorgane, ihrer Bestellung, Abberufung und Kompetenzen, der Haftung und Haftungsbegrenzung nach außen, der Liquidation etc.

 

Rz. 59

Die schwierigsten Probleme bei der Zuordnung gewisser Rechtsfragen (Qualifikation) zum Gesellschaftsstatut ergeben sich dann, wenn diese auch den Regelungsbereich anderer Kollisionsnormen berühren. Beispielsweise fragt sich bei der Eigenhaftung des Geschäftsführers einer GmbH, ob diese dem für die Organstellung maßgeblichen Gesellschaftsstatut oder dem für die deliktische Haftung maßgeblichen Deliktsstatut (Art. 4 Rom II-VO) unterliegt. Die Haftung wegen Insolvenzverschleppung steht im Spannungsfeld von Gesellschaftsstatut und Insolvenzstatut, also dem Recht des Gerichts, das das Insolvenzverfahren eröffnet hat (vgl. Art. 4 EuInsVO).

 

Rz. 60

Diese Abgrenzungsfragen (Qualifikation) haben in Deutschland lange Zeit keine Rolle gespielt. Die Sitztheorie stellte sicher, dass das Gesellschaftsstatut schon vorsorglich mit dem Rechtssystem in Einklang stand, in dessen Umfeld die Gesellschaft agierte und dem die wichtigsten Rechtsbeziehungen unterlagen. Literatur und Praxis interpretierten den Geltungsbereich des Gesellschaftsstatuts weit, was die Rechtsanwendung erleichterte, den Beteiligten – insbesondere den betroffenen Gesellschaften – Sicherheit verschaffte und schließlich auch der Schutzfunktion der Sitztheorie (siehe Rdn 5) zu möglichst weit reichender Wirkung verhalf ("Flucht in das Gesellschaftsstatut").

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