Rz. 64

Sind danach die Gebührensätze festgestellt und eventuelle Anrechnungen vorgenommen worden, so ist § 15 Abs. 3, 2. Hs. RVG zu beachten. Sofern unterschiedliche Gebührensätze angefallen sind, also im Fall einer teilweisen vorzeitigen Erledigung oder bei Protokollieren oder Verhandeln nicht anhängiger Ansprüche oder auch bei teilweiser Vertretung mehrerer Auftraggeber, ist das Gesamtaufkommen der einzelnen Gebühren aus den Teilwerten auf eine Gebühr nach dem Höchstsatz aus dem Gesamtwert zu begrenzen.[25]

 

Rz. 65

In der Abrechnung sollten die einzelnen Gebühren aus den Teilwerten ungeachtet ihrer nachfolgenden Kürzung nach § 15 Abs. 3, 2. Hs. RVG einzeln ausgewiesen werden. Zum einen dient dies der Transparenz. Der Auftraggeber kann nur so die Berechnung nachverfolgen und prüfen. Abgesehen davon dient es auch der eigenen Kontrolle. Zudem ist es in Anrechnungsfällen unumgänglich, die einzelnen Gebühren auszuweisen, da erst angerechnet und dann nach § 15 Abs. 3, 2. Hs. RVG gekürzt wird.[26] Wer umgekehrt verfährt, verschenkt Gebühren.[27]

 

Beispiel 25: Gebührenkürzung nach § 15 Abs. 3 RVG

In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR verhandeln die Parteien über die Klageforderung sowie über weiter gehende 5.000,00 EUR. Eine Einigung kommt jedoch nicht zustande.

Neben der 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der anhängigen 10.000,00 EUR entsteht aus dem Mehrwert der Einigung nach Nr. 3101 Nr. 2 VV eine weitere 0,8-Verfahrensgebühr, allerdings unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG.

Die Terminsgebühr entsteht demgegenüber aus dem vollen Wert zu 1,2.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 798,20 EUR  
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV 267,20 EUR  
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als   933,40 EUR
  1,3 aus 15.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   861,60 EUR
  (Wert: 15.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.815,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   344,85 EUR
Gesamt   2.159,85 EUR
 

Rz. 66

 

Beispiel 26: Anrechnung und Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG

Der Anwalt war für den Kläger nach einem Gegenstandswert von 120.000,00 EUR außergerichtlich tätig geworden und hatte dafür eine Schwellengebühr (1,3-Geschäftsgebühr) abgerechnet. Hiernach kam es zum Rechtsstreit, der durch einen Vergleich erledigt wurde. In diesen Vergleich wurde auch eine weitere nicht anhängige Forderung in Höhe von 25.000,00 EUR mit aufgenommen.

Angefallen ist außergerichtlich eine 1,3-Geschäftsgebühr, die sich wie folgt berechnet:

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   2.273,70 EUR
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.293,70 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   435,80 EUR
Gesamt   2.729,50 EUR

Im gerichtlichen Verfahren entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) aus 120.000,00 EUR und eine 0,8-Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV).

Einerseits ist das Gebührenaufkommen der beiden Verfahrensgebühren nach § 15 Abs. 3 RVG zu kürzen. Andererseits ist die Geschäftsgebühr aus 120.000,00 EUR zu 0,65 anzurechnen. Entscheidend ist die Reihenfolge.

Würde man zuerst nach § 15 Abs. 3 RVG kürzen, ergäbe dies folgende weitere Berechnung der Verfahrensgebühr (netto):

 
II. Gerichtliches Verfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 2.273,70 EUR  
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 699,20 EUR  
  (Wert: 25.000,00 EUR)    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als   2.518,10 EUR
  1,3 aus 145.000,00 EUR    
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 1.136,85 EUR
  0,65 aus 120.000,00 EUR    
Gesamt   1.381,25 EUR

Würde man dagegen zuerst anrechnen und dann die Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG prüfen,[28] so ergäbe sich folgendes Netto-Gebührenaufkommen bei der Verfahrensgebühr:

 
II. Gerichtliches Verfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 2.273,70 EUR  
  (Wert: 120.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, – 1.136,85 EUR  
  0,65 aus 120.000,00 EUR    
      1.136,85 EUR
3. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   699,20 EUR
  (Wert: 25.000,00 EUR)    
Gesamt   1.836,05 EUR

Die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 145.00,00 EUR (2.518,10 EUR), ist nicht erreicht.

[25] Die Begrenzung ist erst nach Anrechnung vorzunehmen (OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = NJW-Spezial 2009, 124 = RVGreport 2009, 103). Siehe hierzu ausführlich N. Schneider, Gebührenabrechnung: Erst anrechnen, dann kürzen oder erst kürzen und dann anrechnen?, RVG-B 2005, 11.
[26] OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = NJW-Spezial 2009, 124 = RVGreport 2009, 103.
[27] OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = NJW-Spezial 2009, 124 = RVGreport 2009, 103. Siehe hierzu ausführlich N. Schneider, Gebührenabrechnung: Erst anrechnen, dann kürzen oder erst kürzen und dann anrechnen?, RVG-B 2005, 11.
[28] So OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = RVGreport 2009, 103; OLG Karlsruhe AGS 2011, 165 = zfs 2011, 468 = NJW-Spezial 2011, 285 = RVGreport 2011, 300; OLG München AGS 2012, ...

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