Rz. 48

Sind danach die Gegenstände und Gegenstandswerte ermittelt, ist weiter danach zu fragen, welche Gebührentatbestände ausgelöst worden sind.

(1) Betriebsgebühr

(a) Ermittlung der Betriebsgebühr

 

Rz. 49

Zunächst einmal muss immer eine sog. "Betriebsgebühr" anfallen, in aller Regel also eine Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3200, 3309, 3500 VV etc.), außergerichtlich eine Geschäftsgebühr (Nrn. 2300, 2303 VV), eine Beratungsgebühr (§ 34 Abs. 1 VV) oder eine Prüfungsgebühr (Nr. 2100 VV). Diese Gebühren entstehen für das "Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV; Vorbem. 3 Abs. 2 VV).

 

Rz. 50

Zu beachten ist, dass sich in der Betriebsgebühr der Wert sämtlicher Gegenstände, mit denen der Anwalt im Laufe der Angelegenheit befasst war, niederschlagen muss. Dies ergibt sich aus dem Charakter der Betriebsgebühr, die schon mit der Erteilung der Information anfällt (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV; Vorbem. 3 Abs. 2 VV), und daher durch alle Gegenstände ausgelöst wird, mit denen der Anwalt im Verlauf des Mandats befasst wird.

 

Rz. 51

Möglich ist ausnahmsweise auch, dass in einer Angelegenheit mehrere Betriebsgebühren anfallen, so z.B. im Mahnverfahren, in dem sowohl für das Verfahren über den Erlass eines Mahnbescheids (Nr. 3305 VV) als auch für das Verfahren über den Erlass eines Vollstreckungsbescheids (Nr. 3308 VV) jeweils eine gesonderte Verfahrensgebühr anfällt, obwohl insgesamt nur eine einzige Angelegenheit gegeben ist; ebenso in der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung (Nr. 3311 VV) sowie in Insolvenzverfahren (Nrn. 3313 ff. VV).

(b) Ermittlung der Gebührensätze

 

Rz. 52

Zu beachten ist ferner, dass die Betriebsgebühr gegebenenfalls aus einzelnen Teilwerten zu unterschiedlichen Gebührensätzen anfallen kann. Solche Regelungen sind insbesondere in den gerichtlichen Verfahren enthalten (Nrn. 3100/3101 VV; Nrn. 3200/3201 VV; Nrn. 3305/3306 VV etc.). Der Anwalt muss daher stets prüfen, ob hinsichtlich des betreffenden Gegenstands die volle Gebühr ausgelöst worden ist. Soweit dies nicht der Fall ist, entsteht nur die reduzierte Betriebsgebühr. Möglich ist auch, dass sowohl eine volle als auch eine reduzierte Betriebsgebühr anfällt. In diesem Fall sind dann nach § 15 Abs. 3, 1. Hs. RVG aus den jeweiligen Teilwerten unterschiedliche Gebührensätze abzurechnen (siehe die Beispiele 23, 24 und 29).

(c) Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern

 

Rz. 53

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, ob der Anwalt für mehrere Auftraggeber tätig war und damit eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV eingetreten sein kann. Da hier nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird, reicht eine Auftraggebermehrheit alleine allerdings noch nicht aus. Der Anwalt muss auch hinsichtlich desselben Gegenstands tätig geworden sein. Liegt ein solcher Fall vor, werden alle Betriebsgebühren um 0,3 je weiteren Auftraggeber erhöht, höchstens um 2,0 (Ausnahme: Anm. S. 2 zu Nr. 3308 VV).

 

Rz. 54

Auch hier kann es vorkommen, dass eine Erhöhung nur nach einem Teilwert eingetreten ist. Dann gilt wiederum § 15 Abs. 3, 1. Hs. RVG. Es sind aus den Teilwerten unterschiedliche Gebührensätze zu errechnen. Unzutreffend wäre es, aus dem Gesamtwert eine einfache Gebühr zu berechnen und aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung eine "Erhöhungsgebühr" (ausführlich hierzu siehe § 13 Rdn 32 ff.).[19]

 

Beispiel 18: Verfahrensgebühr für mehrere Auftraggeber mit unterschiedlicher Beteiligung

Der Anwalt erhält in einer Verkehrsunfallsache von dem geschädigten Eigentümer den Auftrag, Schadensersatz in Höhe von 12.000,00 EUR einzuklagen. Später erhebt der Unfallgegner Widerklage in Höhe von 7.000,00 EUR gegen den geschädigten Eigentümer als Halter und Fahrer sowie Drittwiderklage gegen den Haftpflichtversicherer. Der Anwalt erhält auch das Mandat für den Haftpflichtversicherer.

Der Gesamtwert beläuft sich gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG auf 19.000,00 EUR. An einem Teilwert von 12.000,00 EUR ist nur ein Auftraggeber beteiligt; an dem Teilwert von 7.000,00 EUR sind zwei Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt. Unzutreffend wäre es, aus dem Gesamtwert von 19.000,00 EUR eine 1,3-Gebühr zu berechnen und aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung eine "0,3-Erhöhungsgebühr".[20] Zutreffend ist es vielmehr nach Teilwerten abzurechnen.[21] Aus dem Teilwert von 12.000,00 EUR entsteht die einfache 1,3-Verfahrensgebühr und aus 7.000,00 EUR eine nach Nr. 1008 VV erhöhte 1,6-Verfahrensgebühr.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 865,80 EUR
  (Wert: 12.000,00 EUR)  
2. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV 713,60 EUR
  (Wert: 7.000,00 EUR)  

Insgesamt darf nach § 15 Abs. 3 RVG allerdings nicht mehr als eine 1,6-Gebühr aus dem Gesamtwert von 19.000,00 EUR berechnet werden, also 1.232,00 EUR (siehe dazu Rdn 64 ff.).

[19] AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 Rn 254 ff. m.w.N.
[20] So aber OLG Köln Rpfleger 1987, 175; OLG Frankfurt MDR 1983, 764; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 189; LG Berlin Rpfleger 1981, 123; LG Freiburg Rpfleger 1982, 393.
[21] LG Saarbrücken AGS 2012, 56 = NJW-Spezial 2012, 27; AG Augsburg AGS 2008, 434 = NJW-Spezial 2008, 636; OLG Hamburg MDR 1978, 767; LG Bonn Rpfleg...

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