Rz. 262

Bis zum Ausspruch der Scheidung und Rechtskraft dieses Beschluss besteht die Ehe fort. Das Erbrecht entfällt aber bereits trotz bestehender Ehe, wenn die Voraussetzungen für den Ausspruch der Scheidung gegeben waren und der Erblasser entweder selbst die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag des anderen Ehegatten wirksam zugestimmt hat, § 1933 S. 1. Das Erbrecht ist nach dem Ehegatten, nach dessen Antrag die Scheidung auszusprechen wäre, ausgeschlossen. Gleiches gilt dann, wenn ein Eheaufhebungsgrund nach § 1314 BGB vorlag und der Erblasser die Aufhebung der Ehe beantragt hat. Jeder Erbfall ist für sich zu prüfen. Nur nach dem Ehegatten, der den Scheidungsantrag eingereicht hat, entfällt der Erbanspruch des überlebenden Ehegatten. Der beantragende Ehegatte bleibt erbberechtigt, bis auch der andere Ehegatte einen Scheidungsantrag eingereicht hat oder die Zustimmung zu dem Antrag erklärt hat.

Die notwendigen Verfahrenshandlungen und Erklärungen müssen vor dem Todesfall vorgenommen worden sein, Erklärungen nach dem Todesfall sind für die Beurteilung der erbrechtlichen Situation unerheblich.

 

Rz. 263

Das Ehegattenerbrecht entfällt nach § 1318 Abs. 5 BGB auch, wenn der überlebende Ehegatte bei der Eheschließung den Aufhebungsgrund aus §§ 1304, 1306, 1307, 1311 oder 1314 Abs. 2 Nr. 1 kannte. Der bösgläubige überlebende Ehegatte hat kein Erbrecht, obwohl die Ehe noch Bestand hat und auch kein Eheaufhebungsverfahren durch den Erblasser vor seinem Tod eingeleitet worden war. Die Beweislast dafür trägt derjenige, der das Erbrecht des Ehegatten bestreitet.

 

Rz. 264

Das bloße Getrenntleben hingegen beeinflusst unabhängig von der Dauer der Trennung das Ehegattenerbrecht nicht. Das Erbrecht besteht auch noch nach langer Trennungszeit. Der getrennt lebende Ehegatte erbt auch dann noch, wenn die Voraussetzungen für den Ausspruch der Scheidung bereits grundsätzlich bestanden haben, aber ein Scheidungsverfahren nicht eingeleitet wurde.

aa) Formelle Voraussetzungen des Scheidungsantrages

 

Rz. 265

Nur ein Antrag, der den formellen gesetzlichen Voraussetzungen entspricht und rechtshängig ist, schließt das Ehegattenerbrecht aus. Ein im Ausland eingeleitetes Verfahren kann einem deutschen Scheidungsverfahren funktionell gleichgestellt werden.[200]

[200] OLG Hamm ErbR 2014, 335.

(1) Rechtshängigkeit des Antrages

 

Rz. 266

Das Ehegattenerbrecht entfällt nur dann, wenn der Erblasser den Antrag auf Ehescheidung in der verfahrensrechtlich zutreffenden Form gestellt hat und dieser Antrag dem überlebenden Ehegatten zugestellt wurde und damit der Antrag rechtshängig gem. § 124 Abs. 2 FamFG war. Durch einen nur anhängigen Antrag zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers wird das Ehegattenerbrecht nicht ausgeschlossen, auch wenn die Zustellung "alsbald erfolgte". Diese Zustellung nach dem Tod des Erblassers wirkt nicht analog § 167 ZPO zurück.[201] Auch ein Verfahrenskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Scheidung begründet nicht die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages und kann damit das Ehegattenerbrecht nicht ausschließen.

Maßgeblich ist die Rechtshängigkeit und ein verfahrensrechtlich zutreffender Antrag, die Einreichung des Scheidungsantrages an einem örtlich unzuständigen Gericht berührt deshalb die formelle Voraussetzung des zulässigen Scheidungsantrages nicht. Auch dann ist das Ehegattenerbrecht ausgeschlossen.

 

Rz. 267

Der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages steht der bloße Zeitablauf in dem Verfahren, ohne dass eine Entscheidung ergeht oder das Verfahren betrieben wird, nicht entgegen. Wird ein Scheidungsverfahren über längere Zeit nicht betrieben, berührt dies den Ausschluss des Ehegattenerbrechtes nicht. Ist es der Erblasser, der über einen längeren Zeitraum das Scheidungsverfahren nicht forciert, so kann darin eine Antragsrücknahme gesehen werden. Das OLG Düsseldorf hat bei einem Zeitablauf von 26 Jahren angenommen, dass aufgrund des Nichtbetreibens des Scheidungsverfahrens die Rücknahme des Scheidungsantrages angenommen werden kann.[202]

Der Antrag muss des Weiteren die gesetzlich vorgegebenen Inhalte für einen Scheidungsantrag umfassen. Nur dann kann dieser Antrag zu dem Ausspruch der Scheidung führen und das Erbrecht ausschließen.

[202] OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1107.

(2) Angabe über die Einigung zu den Folgeansprüchen für Scheidungsverfahren bis zum 31.8.2009

 

Rz. 268

Für die Scheidungsverfahren, die bis zum 31.8.2009 eingeleitet wurden, gelten die Regelungen nach § 630 ZPO. Angaben zu den Folgeansprüchen gehörten nicht zu den zwingenden Angaben in einem Scheidungsantrag. Die Einigung über die Folgesachen hat unter Anwendung dieser Vorschriften nur Bedeutung für die Frage, ob auch dann, wenn in dem Antrag zu den Folgesachen inhaltlich nicht vorgetragen wird, insbesondere keine Einigung dargelegt wird, das Scheitern der Ehe gem. § 1566 BGB vermutet werden konnte oder die Voraussetzungen der Scheidung konkret zu prüfen waren. Diese Frage war streitig. Das OLG Zweibrücken hat dazu ausgeführt, dass, wenn Folgeansprüche im Scheidungsverbund streitig sind, nicht auf die Vermutung des § 1566 BGB abgestellt werden kann. In dem zu entscheidenden Fall hatten beide Ehegatten die Sc...

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