Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung des Scheidungsantrags ist formale Voraussetzung für Ausschluß des Ehegattenerbrechts

 

Orientierungssatz

Für den Ausschluß des Ehegattenerbrechts ist Voraussetzung, daß das Scheidungsbegehren rechtshängig, der Scheidungsantrag also zugestellt ist.

 

Normenkette

BGB § 1933

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Erbrecht der Klägerin als zweiter Ehefrau des Erblassers wegen einer von diesem eingereichten, aber vor seinem Tod nicht mehr zugestellten Eheaufhebungsklage und eines hilfsweise gestellten Scheidungsantrages zu verneinen ist. Für diese Ehe galt der gesetzliche Güterstand. Der Beklagte, einziges Kind aus der ersten Ehe des Erblassers, ist dessen testamentarischer Alleinerbe.

Der Erblasser starb am 25. Januar 1987. Seine am 2. Januar eingereichte, auf Aufhebung, hilfsweise auf Scheidung der Ehe gerichtete Klage, wurde der Klägerin erst am 2. Februar 1987 zugestellt. Die Klägerin begehrt ihren Pflichtteil. Sie verlangt im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft, und zwar über den Wert des Nachlaßgrundstücks durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens, im übrigen durch Vorlage eines vom Notar aufgenommenen Verzeichnisses. Der Beklagte meint, die Voraussetzungen des § 1933 BGB für den Ausschluß des Ehegattenerbrechts hätten seit der Einreichung des Schriftsatzes am 2. Januar 1987 vorgelegen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben demgegenüber die Zustellung der Klage- und Antragsschrift für erforderlich gehalten. Sie haben deshalb der ersten Stufe der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Ehegattenerbrecht der Klägerin und damit ihr Pflichtteilsanspruch sind nicht ausgeschlossen worden, weil die Aufhebungsklage mit dem darin hilfsweise enthaltenen Scheidungsantrag vor dem Tod des Erblassers nicht zugestellt wurde (§§ 2303 Abs. 2, 1933 BGB, 253 Abs. 1 ZPO). Mit Recht meinen die Vorinstanzen, die Zustellung im Sinne von § 253 Abs. 1 ZPO sei formelle Voraussetzung für das Eingreifen der Regelung des § 1933 BGB auch nach dessen Neufassung durch das 1. EheRG zum 1. Juli 1977.

1. Das ergibt für die im vorliegenden Fall eingereichte Aufhebungsklage schon der Wortlaut dieser Bestimmung. Nach ihrem Satz 2 gilt der in Satz 1 für den Fall des Scheidungsantrages bestimmte Erbrechtsausschluß ebenso, wenn der Erblasser auf Aufhebung der Ehe zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte. Satz 2 fordert demgemäß ausdrücklich jedenfalls für die Aufhebungsklage deren Erhebung, also die Zustellung der Klageschrift nach § 253 Abs. 1 ZPO. Der Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Erblassers vom

2. Januar 1987 enthielt in erster Linie den Aufhebungsantrag und dessen Begründung. Nur hilfsweise, also für den Fall des Mißerfolges der auf § 32 Abs. 1 EheG gestützten Aufhebungsklage, wurde darin Scheidung der Ehe vor Ablauf der Trennungsfrist gemäß § 1565 Abs. 2 BGB begehrt. 2. Aber auch für den hilfsweise, also auflösend bedingt gestellten Scheidungsantrag gilt nichts anderes. Auch er mußte zugestellt werden. Erst mit der Zustellung wäre er rechtshängig geworden (Rechtshängigkeit verlangt BGHZ 99, 304, 307f. auch für § 1933 BGB), und hätte die in § 1933 Satz 1 BGB genannte Wirkung entfalten können (§ 262 Satz 2 ZPO). Das ergeben (vgl. die Nachweise bei MünchKomm/Leipold, 2. Aufl. § 1933 Rdn. 5 mit Fn. 11 und 12 oder bei Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts 3. Aufl. Fn. 58 zu § 12 II 2b = S. 204; weiter Soergel/Damrau, 11. Aufl. § 2077 Rdn. 4 und Schlüter, Erbrecht 12. Aufl. § 10 II 1b = S. 64) der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und der Zweck dieser Bestimmung.

a) Ihre frühere Fassung vor der Änderung durch das 1. EheRG machte wie die frühere Fassung des § 2077 BGB für die Scheidungsklage und für die Aufhebungsklage zur Voraussetzung, daß der Erblasser "die Klage erhoben hatte". In der jetzigen Fassung der §§ 1933 und 2077 BGB wird diese Voraussetzung dahin umschrieben, daß der Erblasser "die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte". Der jetzige Wortlaut beruht nur auf einer durch das 1. EheRG geänderten Nomenklatur. Er enthält hinsichtlich der formellen Voraussetzung der Klageerhebung keine sachliche Änderung. Das 1. EheRG hat lediglich redaktionell durchgängig im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der Zivilprozeßordnung den Begriff "Scheidungsklage" durch den Begriff "Scheidungsantrag" ersetzt. Das wird insbesondere an § 622 ZPO deutlich. Dementsprechend ist durch die Möglichkeit der Zustimmung zum Scheidungsantrag auch die Widerklage auf Scheidung ersetzt worden. Auch die Zustimmung ist Prozeßhandlung und setzt demgemäß Rechtshängigkeit voraus (OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 160; BayObLG FamRZ 1983, 96). Soweit vor dem Inkrafttreten der Neuregelung das Gesetz Rechtsfolgen an die Erhebung der Scheidungsklage knüpfte, heißt es folgerichtig nach dem 1. Juli 1977 im Gesetz, daß "ein Antrag auf Scheidung gestellt" (§§ 1389, 1408 Abs. 2, 1629 Abs. 2 BGB) oder "die Scheidung beantragt" ist (§§ 1379 Abs. 2, 1933, 2077 BGB). Damit ist weiterhin der Vorgang der früheren Klageerhebung, also die Zustellung der Antragsschrift, nicht aber schon deren Einreichung bei Gericht gemeint. Das hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden (z.B. für § 1408 Abs. 2 Beschlüsse vom 17.10.1984 und 17.12.1986 - IVb ZB 153/82 und 144/84 - FamRZ 1985, 45 und 1987, 365 = LM BGB § 1408 Nr. 1 und 4; für § 1379 Urteil vom 15.10.1981 - IX ZR 85/80 - FamRZ 1983, 350).

Für dieses Verständnis des Wortlauts spricht insbesondere die Gleichsetzung des Vorganges, daß der "Erblasser die Scheidung beantragt hatte" damit, daß er die Aufhebungsklage "erhoben hatte" in § 1933 Satz 3 und 2077 Abs. 1 Satz 3 BGB.

b) Die Entstehungsgeschichte der Neufassung belegt dieses Ergebnis ebenso. § 1933 BGB in der Fassung des 1. EheRG sollte "die Regelung des geltenden Rechts im Grundsatz", also die vor dem 1. Juli 1977 "geltende Regelungsautomatik unter Anpassung an das Zerrüttungsprinzip, beibehalten". Das belegen die Stellungnahme des Bundesrates und der zweite Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zur Neufassung (Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Drucksache Nr. 650 S. 274f. sowie Nr. 4361 S. 52). Nach den bis zum 1. Juli 1977 geltenden Vorschriften kam es aber darauf an, daß der Erblasser die Scheidungsklage erhoben hatte, diese also zugestellt war. Der Scheidungswille mußte durch die Zustellung, die Vornahme einer Verfahrenshandlung, nach außen deutlich gemacht sein, wenn er erbrechtlich Bedeutung haben sollte (OLG Bamberg HEZ, 2, 290; BayObLG FamRZ 1975, 514, 515; RGRK/Kregel, 12. Aufl. § 1933 Rdn. 3 und RGRK/Johannsen, 12. Aufl. § 2077 Rdn. 2).

c) Nach früherem Recht war der Verlust des Erbrechts eine Sanktion gegen denjenigen Ehegatten, der schuldhaft einen Scheidungs- oder Aufhebungsgrund gesetzt hatte. Diese Rechtfertigung kann wegen der Einführung des Zerrüttungsprinzips keine ausschlaggebende Bedeutung mehr haben. Deshalb hatte der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf ersatzlose Streichung des § 1933 BGB vorgeschlagen (BT-Drucks. 7, 650 S. 179). Jedoch meinte die Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks. 7, 650 S. 274 unter 1. und 3.), spätestens im Zeitpunkt der Antragstellung oder der Klageerhebung werde offenkundig, daß das Erbrecht des überlebenden Ehegatten seine innere Berechtigung verloren habe, der Ausschluß entspreche dem mutmaßlichen Willen des Erblassers.

Dem wird entgegengehalten, daß dem Prinzip der Gegenseitigkeit der Erbberechtigung nur ein beiderseitiger Verlust der Erbberechtigung entsprechen könne oder der Erbrechtsverlust bei von beiden Ehegatten betriebener Scheidung (Battes, FamRZ 1977, 433, 437, 439; Dieckmann, FamRZ 1979, 389, 396; MünchKomm/Leipold, 2. Aufl. § 1933 Rdn. 2 und 3), daß weiter für § 1933 es aus tatsächlichen Gründen weitgehend unmöglich sei, dem erbrechtlichen Willensdogma über eine Auslegungsregel mit Ausnahmevorbehalt Geltung zu verschaffen (Soergel/Stein, 11. Aufl. § 1933 Rdn. 3). Andererseits wird allenthalben die Schwierigkeit gesehen, die bei einer Verweisung auf die Testiermöglichkeit entsteht. Diese Verweisung räumt einer möglicherweise - oder sogar typischerweise - vorübergehenden Konfliktsituation zu große Bedeutung ein (vgl. z.B. BT-Drucks. 7, 650 S. 274 unter 3.; MünchKomm/Leipold, 2. Aufl. § 1933 Rdn. 2 a.E.; Soergel/ Stein, 11. Aufl. § 1933 Rdn. 3).

Insgesamt legen danach die Überlegungen zur Zweckmäßigkeit dieser Bestimmung nahe, sie einschränkend, keinesfalls aber in einem weitergehenden Umfang als die frühere Vorschrift auszulegen. Dann aber kann eine Erweiterung ihres früheren Geltungsumfanges nicht in Betracht kommen. Diese wäre zwangsläufige Folge der Meinung, die schon die Einreichung des Scheidungsantrages genügen lassen will (Soergel/Stein, 11. Aufl. § 1933 Rdn. 4; Jauernig/Stürner, 4. Aufl. § 1933 Anm. 1a; Bock, MittRhNotK 1977, 205, 207). Jene Meinung kann sich nicht auf § 270 Abs. 3 ZPO stützen. Bei dem Erbrechtsausschluß gemäß § 1933 geht es nicht um die Wahrung einer Frist oder die Unterbrechung der Verjährung, sondern um die materiellrechtliche Wirkung einer Prozeßhandlung. Für eine analoge Anwendung (dazu BGHZ 105, 140, 143) von § 270 Abs. 3 ZPO ist kein Raum. Da § 262 ZPO die materiellrechtliche Wirkung von Prozeßhandlungen regelt, gibt es keine Lücke. Im Hinblick auf die Erörterungen zur einschränkenden Auslegung sind weder der Sachverhalt noch die Interessenlage vergleichbar.

3. Weil nach allem schon die formelle Voraussetzung für ein Eingreifen des § 1933 BGB nicht gegeben ist, kann offen bleiben, ob gegen diese Regelung etwa wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Gegenseitigkeit der Erbberechtigung verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 3, 6, 14 Abs. 1 GG bestehen.

 

Fundstellen

BGHZ, 329

NJW 1990, 2382

JR 1990, 511

JZ 1990, 1134

JuS 1991, 78

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge