Rz. 39

Nach § 43a Abs. 4 BRAO darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Somit darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse beraten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst war, vgl. § 3 Abs. 1 BORA. Das Verbot gilt dabei für alle mit ihm in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte, § 3 Abs. 2 BORA. Zwar könnte über die Ausnahme nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA grundsätzlich ein derartiges Mandat übernommen werden. Dies würde jedoch voraussetzen, dass sich die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und der Übernahme keine Belange der Rechtspflege entgegenstehen. Die Information und Einverständniserklärung sollen dabei in Schriftform erfolgen, § 3 Abs. 2 Satz 3 BORA.

 

Rz. 40

 

Praxistipp

Nicht selten verbünden sich vormals streitende Parteien, beispielsweise nach Erhalt der Abschlussrechnung. Schnell kann hieraus mehr erwachsen. Da ein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO nach § 356 StGB unter anderem auch strafbewehrt ist, ist bei der Übernahme eines derartigen Mandats daher äußerste Vorsicht geboten. Im Zweifel ist die Empfehlung an einen Kollegen schlicht sinnvoller.

aa) Gemeinsame Beratung von Eheleuten in ihrer Trennungs- oder Scheidungsangelegenheit

 

Rz. 41

Häufig erscheinen Ehegatten gemeinsam bei einem Rechtsanwalt, um sich beraten zu lassen. In der Regel gehen sie davon aus, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts, wenn man sich doch einig sei, ausreiche. Nicht selten hat man dies von Arbeitskollegen so gehört oder, was immer häufiger anzutreffen ist, im Internet bereits recherchiert. Diese Form der Scheidung/Trennungsbegleitung wolle man nun auch. Eine solche gemeinsame Beratung von Parteien kann nur abgelehnt werden.

Selbst wenn die Beteiligten sich offenkundig in allen Fragen einig sein sollten, so ist eine vermögensrechtliche Vereinbarung immer auch mit Wertungen verbunden. Dies birgt Konfliktpotential und kann zwischen den Beteiligten zum Streit ausufern.

 

Rz. 42

Erscheinen nun aber Ehegatten gemeinsam, so sollte unbedingt vor der Beratung klargestellt werden, wer von den beiden durch den Rechtsanwalt ab sofort vertreten werden soll. Der im Gespräch verbleibende, dann nicht anwaltlich vertretene, sollte ausdrücklich darauf verwiesen werden, dass er keine widerstreitende Beratung zu dem dann potentiellen Mandanten erhalten wird. Er sollte ferner darauf verwiesen werden, dass es ihm jederzeit frei steht, sich eigenen Rechtsrat zu suchen. Auch sollte immer auf die Möglichkeit verwiesen werden, dass das Gespräch zu jeder Zeit auf Wunsch beendet werden kann. Nicht selten treten in derartigen gemeinsamen Gesprächen Konflikte zu Tage, die sich bis zu einem heftigen Wortgefecht aufbauen können. Spätestens dann ist das Gespräch durch den Rechtsanwalt unverzüglich zu beenden.

 

Rz. 43

Sollte es unterblieben sein, ein Vertretungsverhältnis vor Beginn der gemeinsamen Beratung festzulegen, bleibt dem Rechtsanwalt keine andere Möglichkeit, als im Konfliktfall das Mandat insgesamt zu beenden. In einer derartigen Fallkonstellation könnte der Rechtsanwalt dann noch nicht einmal mehr seinen Gebührenanspruch realisieren. Dazu der BGH:[6]

Zitat

Die Klägerin hätte den Beklagten und seine Ehefrau vor der gemeinsamen Beratung darauf hinweisen müssen, dass ein Anwalt im Grundsatz nur einen beraten kann, dass sie bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern sie die Ehegatten nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten kann, und dass sie jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute unüberwindbar erscheinen, das Mandat gegenüber beiden Eheleuten niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Rechtsanwälte beauftragen müssen, so dass ihnen Kosten nicht nur für einen, sondern für drei Anwälte entstehen. Weiter hätte sie die Eheleute darüber belehren müssen, dass sie möglicherweise auch dann, wenn die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung treffen, einen der Eheleute im Scheidungsverfahren zur Stellung des Scheidungsantrages nicht vertreten kann, die Eheleute danach auch im Fall der einvernehmlichen Scheidung die Kosten für zwei Anwälte tragen müssen, weil diese Frage richterlich noch nicht geklärt ist (…).

bb) Gebührenrechtliche Konsequenzen

 

Rz. 44

Sollte der Anwaltsvertrag von Anfang an nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 3 BRAO, § 3 Abs. 1 und 4 BORA nichtig gewesen sein, wäre weder aus Vertrags- noch aus §§ 670, 677, 683 BGB noch aus § 812 Abs. 1 BGB eine Vergütung zu erzielen.[7] Eine Situation wäre eingetreten, die im Vorfeld hätte vermieden werden können und im Interesse aller Beteiligten auch hätte vermieden werden müssen.

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