Rz. 401

Das Ertragsverfahren ist einschlägig für Mehrfamilienhäuser, Büro- und Geschäftshäuser, Einzelhandelsobjekte sowie Spezialimmobilien. Der Gutachter ermittelt zunächst den Bodenwert sowie den Gebäudewert (Sachwert) und so dann die tatsächlich erzielten Mieterträge unter besonderer Berücksichtigung der nachhaltig erzielbaren Mieten. Ist beispielsweise eine Gewerbefläche für 35 EUR je m2 vermietet und betragen die vergleichbaren Gewerbemieten in dieser Lage nur noch etwa 22 EUR je m2, wird der Gutachter nur 22 EUR je m2 für diese Fläche ansetzen können.

 

Rz. 402

Aus der Summe der nachhaltigen Mieterträge ergibt sich der Jahresrohertrag, von dem die nicht auf den Mieter umlegbaren Betriebskosten in Abzug zu bringen sind. Der Gutachter verwendet hier eine auf Erfahrungswerten beruhende Pauschale (Anhaltspunkt bei Redaktionsschluss rund 1,40 EUR je m2 je Monat) bzw. fallbezogen individuelle Ansätze für Instandhaltung, Verwaltung und Mietausfallwagnis verwenden.

Bei kostenintensiven Objekten oder Instandhaltungsrückstau wird der Gutachter diese Ansätze auch durchaus erhöhen.

 

Rz. 403

Durch den Betriebskostenabzug wird der Reinertrag der Immobilie vor Abzug der Bodenwertverzinsung ermittelt. Der Bodenwert (§ 15 BelWertV) ist dann mit dem regional und objektbezogen unterschiedlichen Liegenschaftszinssatz für den Verkehrswert (siehe oben, Gutachterausschüsse der Bundesländer) bzw. dem Kapitalisierungszinssatz für den Beleihungswert zu multiplizieren, um die Bodenwertverzinsung zu erhalten. Diese wird dann wiederum vom Jahresreinertrag subtrahiert.

 

Rz. 404

Diese Vorgehensweise ist in der ökonomischen Vorstellung begründet, dass der Grund und Boden als unbegrenzt nutzbares Wirtschaftsgut sich dauerhaft als "ewige Rente" verzinst.[287]

Im nächsten Schritt wird die Restnutzungsdauer des Gebäudes ermittelt (Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 BelWertV).

Der Jahresreinertrag aus dem Gebäude wird dann kapitalisiert (§ 12 BelWertV), weil er als Jahresbetrag einer Zeitrente angesehen wird.[288] Der Kapitalisierungszinssatz wird durch den Gutachter entsprechend den vorgesehenen Bandbreiten gemäß Tabelle Anlage 3 zu § 12 Abs. 4 BelWertV ermittelt.

 

Rz. 405

Aus der Restnutzungsdauer, dem Liegenschaftszinssatz (für den Verkehrswert) gem. § 193 Abs. 5 BauGB, §§ 14, 20, nebst Anlagen zu § 20 ImmoWertV und dem Kapitalisierungszinssatz (für den Beleihungswert) wird gem. Anlage 4 zu § 12 der BelWertV aus der Tabelle jeweils ein Vervielfältiger[289] ermittelt, der wiederum mit dem Jahresreinertrag multipliziert wird. Hieraus ergibt sich der Ertragswert des Gebäudes, wobei notwendige Sanierungen zu berücksichtigen sind. Unter Hinzurechnung des Bodenwertes steht dem Gutachter nun der Ertragswert der Immobilie insgesamt zur Verfügung.

 

Rz. 406

Gem. § 4 Abs. 1 BelWertV wird wie bereits eingangs erwähnt eine Berechnung nach dem Sachwertverfahren (§§ 1416 BelWertV) vorangestellt. Hierfür werden die angemessenen Herstellungskosten des Gebäudes, ferner Außenanlagen und Baunebenkosten ebenso herangezogen, wie der angemessene Wert des Grund und Bodens. Bei älteren Gebäuden werden die Herstellungskosten anhand historischer Baupreise, die anhand eines Baupreisindex hochgerechnet werden, ermittelt.[290] Für die Ermittlung des Verkehrswertes, die im folgenden Beispiel neben der Ermittlung des Beleihungswertes dargestellt wird, gelten die §§ 15–20 ImmoWertV die den Vorschriften der BelWertV ähnlich sind und ebenfalls das Sachwert-, das Vergleichswert- und das Ertragswertverfahren vorsehen und beschreiben.

 

Rz. 407

 

Rechenbeispiel

Sachwert- und Ertragswertverfahren kombiniert (Mehrfamilienhaus mit Gewerbeanbauten hofseitig, Metropolregion, Baujahr 1902, Sanierung 2008), Wohnfläche 771 m2, Gewerbe 234 m2. Nutzfläche.

 
1. Sachwert für Verkehrswert Sachwert für Beleihungswert
Bodenwert 300.250 EUR 300.250 EUR
Gebäudewert 830.775 EUR 830.775 EUR
Außenanlagen 33.231 EUR 33.231 EUR
Baunebenkosten 129.601 EUR 129.601 EUR
Bauwert + 993.607 EUR + 993.607 EUR
    ./. 99.361 EUR (10 % Sicherheitsabschlag)
= Sachwert 1.293.857 EUR 1.194.496 EUR
2. Ertragswert für Verkehrswert Ertragswert für Beleihungswert
Jahresnettokaltmiete (JNKM) Wohnen 70.968 EUR 70.968 EUR
./. nicht umlagefähige Betriebskosten 11.879 EUR 11.879 EUR
Jahresreinertrag 59.089 EUR 59.089 EUR
Liegenschaftszins Wohnen 5,5 %   Kapitalisierungszins 6,25 %
Gewerbemiete netto kalt 17.280 EUR 17.280 EUR
./. Betriebskosten 3.250 EUR 3.250 EUR
Jahresreinertrag 14.029 EUR 14.029 EUR
Liegenschaftszins Gewerbe 6,5 %   Kapitalisierungszins 7,25 %
Gewichteter Liegenschaftszins 5,67 %   Gewichteter Kapitalisierungszins 6,42 %
Jahresreinertrag gesamt 73.118 EUR 73.118 EUR
davon Boden 17.024 EUR (300.250 x 5,67 %) (300.250 x 6,42%) 19.276 EUR
davon Gebäude 56.094 EUR 53.842 EUR
Restnutzungsdauer 40 Jahre    
gem. Tabelle Vervielfältiger = 15,69 15,69 14,28
56.094 x 15,69 bzw. x 14,28 = 880.114,86 EUR x 14,28 = 768.864 EUR
Ertragsanteil Gebäude 880.115 EUR 768.864 EUR
zuzüglich Bodenwert 300.250 EUR 300.250 EUR
abzüglich Reparaturstau 0 E...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge