Dr. iur. Thomas Eder, Petra Gartz
Rz. 401
Das Ertragsverfahren ist einschlägig für Mehrfamilienhäuser, Büro- und Geschäftshäuser, Einzelhandelsobjekte sowie Spezialimmobilien. Der Gutachter ermittelt zunächst den Bodenwert sowie den Gebäudewert (Sachwert) und so dann die tatsächlich erzielten Mieterträge unter besonderer Berücksichtigung der nachhaltig erzielbaren Mieten. Ist beispielsweise eine Gewerbefläche für 35 EUR je m2 vermietet und betragen die vergleichbaren Gewerbemieten in dieser Lage nur noch etwa 22 EUR je m2, wird der Gutachter nur 22 EUR je m2 für diese Fläche ansetzen können.
Rz. 402
Aus der Summe der nachhaltigen Mieterträge ergibt sich der Jahresrohertrag, von dem die nicht auf den Mieter umlegbaren Betriebskosten in Abzug zu bringen sind. Der Gutachter verwendet hier eine auf Erfahrungswerten beruhende Pauschale (Anhaltspunkt bei Redaktionsschluss rund 1,40 EUR je m2 je Monat) bzw. fallbezogen individuelle Ansätze für Instandhaltung, Verwaltung und Mietausfallwagnis verwenden.
Bei kostenintensiven Objekten oder Instandhaltungsrückstau wird der Gutachter diese Ansätze auch durchaus erhöhen.
Rz. 403
Durch den Betriebskostenabzug wird der Reinertrag der Immobilie vor Abzug der Bodenwertverzinsung ermittelt. Der Bodenwert (§ 15 BelWertV) ist dann mit dem regional und objektbezogen unterschiedlichen Liegenschaftszinssatz für den Verkehrswert (siehe oben, Gutachterausschüsse der Bundesländer) bzw. dem Kapitalisierungszinssatz für den Beleihungswert zu multiplizieren, um die Bodenwertverzinsung zu erhalten. Diese wird dann wiederum vom Jahresreinertrag subtrahiert.
Rz. 404
Diese Vorgehensweise ist in der ökonomischen Vorstellung begründet, dass der Grund und Boden als unbegrenzt nutzbares Wirtschaftsgut sich dauerhaft als "ewige Rente" verzinst.
Im nächsten Schritt wird die Restnutzungsdauer des Gebäudes ermittelt (Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 BelWertV).
Der Jahresreinertrag aus dem Gebäude wird dann kapitalisiert (§ 12 BelWertV), weil er als Jahresbetrag einer Zeitrente angesehen wird. Der Kapitalisierungszinssatz wird durch den Gutachter entsprechend den vorgesehenen Bandbreiten gemäß Tabelle Anlage 3 zu § 12 Abs. 4 BelWertV ermittelt.
Rz. 405
Aus der Restnutzungsdauer, dem Liegenschaftszinssatz (für den Verkehrswert) gem. § 193 Abs. 5 BauGB, §§ 14, 20, nebst Anlagen zu § 20 ImmoWertV und dem Kapitalisierungszinssatz (für den Beleihungswert) wird gem. Anlage 4 zu § 12 der BelWertV aus der Tabelle jeweils ein Vervielfältiger ermittelt, der wiederum mit dem Jahresreinertrag multipliziert wird. Hieraus ergibt sich der Ertragswert des Gebäudes, wobei notwendige Sanierungen zu berücksichtigen sind. Unter Hinzurechnung des Bodenwertes steht dem Gutachter nun der Ertragswert der Immobilie insgesamt zur Verfügung.
Rz. 406
Gem. § 4 Abs. 1 BelWertV wird wie bereits eingangs erwähnt eine Berechnung nach dem Sachwertverfahren (§§ 14–16 BelWertV) vorangestellt. Hierfür werden die angemessenen Herstellungskosten des Gebäudes, ferner Außenanlagen und Baunebenkosten ebenso herangezogen, wie der angemessene Wert des Grund und Bodens. Bei älteren Gebäuden werden die Herstellungskosten anhand historischer Baupreise, die anhand eines Baupreisindex hochgerechnet werden, ermittelt. Für die Ermittlung des Verkehrswertes, die im folgenden Beispiel neben der Ermittlung des Beleihungswertes dargestellt wird, gelten die §§ 15–20 ImmoWertV die den Vorschriften der BelWertV ähnlich sind und ebenfalls das Sachwert-, das Vergleichswert- und das Ertragswertverfahren vorsehen und beschreiben.
Rz. 407
Rechenbeispiel
Sachwert- und Ertragswertverfahren kombiniert (Mehrfamilienhaus mit Gewerbeanbauten hofseitig, Metropolregion, Baujahr 1902, Sanierung 2008), Wohnfläche 771 m2, Gewerbe 234 m2. Nutzfläche.
1. |
Sachwert für Verkehrswert |
Sachwert für Beleihungswert |
Bodenwert |
300.250 EUR |
300.250 EUR |
Gebäudewert |
830.775 EUR |
830.775 EUR |
Außenanlagen |
33.231 EUR |
33.231 EUR |
Baunebenkosten |
129.601 EUR |
129.601 EUR |
Bauwert |
+ 993.607 EUR |
+ 993.607 EUR |
|
|
./. 99.361 EUR (10 % Sicherheitsabschlag) |
= Sachwert |
1.293.857 EUR |
1.194.496 EUR |
2. |
Ertragswert für Verkehrswert |
Ertragswert für Beleihungswert |
Jahresnettokaltmiete (JNKM) Wohnen |
70.968 EUR |
70.968 EUR |
./. nicht umlagefähige Betriebskosten |
11.879 EUR |
11.879 EUR |
Jahresreinertrag |
59.089 EUR |
59.089 EUR |
Liegenschaftszins Wohnen 5,5 % |
|
Kapitalisierungszins 6,25 % |
Gewerbemiete netto kalt |
17.280 EUR |
17.280 EUR |
./. Betriebskosten |
3.250 EUR |
3.250 EUR |
Jahresreinertrag |
14.029 EUR |
14.029 EUR |
Liegenschaftszins Gewerbe 6,5 % |
|
Kapitalisierungszins 7,25 % |
Gewichteter Liegenschaftszins 5,67 % |
|
Gewichteter Kapitalisierungszins 6,42 % |
Jahresreinertrag gesamt |
73.118 EUR |
73.118 EUR |
davon Boden |
17.024 EUR (300.250 x 5,67 %) |
(300.250 x 6,42%) 19.276 EUR |
davon Gebäude |
56.094 EUR |
53.842 EUR |
Restnutzungsdauer 40 Jahre |
|
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gem. Tabelle Vervielfältiger = 15,69 |
15,69 |
14,28 |
56.094 x 15,69 bzw. x 14,28 = |
880.114,86 EUR |
x 14,28 = 768.864 EUR |
Ertragsanteil Gebäude |
880.115 EUR |
768.864 EUR |
zuzüglich Bodenwert |
300.250 EUR |
300.250 EUR |
abzüglich Reparaturstau |
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