Rz. 331

Das Testament ist eine einseitige Bestimmung für den Fall des Todes. Mit einem Testament würde mithin ein Ehegatte für sich allein ohne Einbeziehung des anderen Ehegatten Bestimmungen treffen. Nach § 2077 BGB wird eine letztwillige Verfügung unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist oder die Voraussetzungen der Scheidung der Ehe gegeben waren und die Scheidung beantragt war oder ihr zugestimmt wurde. Gleiches gilt für den Fall der möglichen Aufhebung. Diese Bestimmung setzt zunächst voraus, dass die letztwillige Verfügung nach Eheschließung errichtet wurde und den Ehegatten, den Verlobten oder den eingetragenen Lebenspartner begünstigen soll. Für vor der Eheschließung oder Verpartnerung oder Verlöbnis errichtete Verfügungen gilt § 2077 BGB nicht.[243] Nicht anwendbar ist diese Bestimmung auch auf Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft oder einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, die nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, ebenso wenig für die testamentarische Erbeinsetzung des Schwiegerkindes. Wird in einer nicht ehelichen Partnerschaft zugunsten des anderen testiert, kann nach dem Tod nicht darauf abgestellt werden, dass das Testament infolge der Trennung keine Bedeutung mehr hat. Da § 2077 BGB nicht zur Anwendung kommt, bleibt das Testament trotz Trennung wirksam.[244]

 

Rz. 332

Nach § 2077 Abs. 3 BGB ist die testamentarische Verfügung trotz der Voraussetzungen aus § 1933 BGB jedoch wirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall (Scheidung/Aufhebung der Ehe/Auflösung des Verlöbnisses/Aufhebung der Lebenspartnerschaft) getroffen haben würde. Zunächst ist zu prüfen, was der Erblasser ausdrücklich erklärt hat.[245] Eine letztwillige Verfügung bleibt wirksam, wenn der Erblasser ausdrücklich erklärt hat, auch seinen Ehegatten für den Fall der Scheidung bedenken zu wollen. Ist ausdrücklich keine Regelung getroffen worden, ist der mutmaßliche Erblasserwille zu ermitteln. Hat der Erblasser bei der Testamentserrichtung den Fall der Scheidung oder der Aufhebung der Ehe oder der Lebenspartnerschaft nicht bedacht, kommt es auf seinen hypothetischen Willen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an.[246]

 

Rz. 333

Da auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung abgestellt wird, kann bei der Ermittlung des hypothetischen Willens eine spätere Aussöhnung der geschiedenen Eheleute nicht herangezogen werden. Auch bei einer späteren Wiederheirat derselben Person ist es fraglich, ob der Fortbestand des Testamentes angenommen werden kann. Es ist zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung des Testaments dem mutmaßlichen, hypothetischen Willen der Ehegatten im Zeitpunkt der Errichtung entsprochen hat, ob also auch in dieser Form letztwillig verfügt worden wäre, wenn sie die Scheidung und ihre anschließende Wiederverheiratung als möglich vorausgesetzt hätten. Um die Annahme zu rechtfertigen, dass der mutmaßliche Erblasserwille dahin festgestellt werden kann, dass die testamentarische Verfügung trotz Scheidung wirksam bleiben soll, müssen besondere Umstände dafür sprechen.[247] Ist ein mutmaßlicher Erblasserwille nicht feststellbar, gilt die positive Auslegungsregel nach § 2077 Abs. 1 und 2 BGB mit der Folge der zwingenden Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung.[248]

 

Rz. 334

Die Beweislast, dass die letztwillige Verfügung fortgelten soll, hat derjenige, der sich darauf beruft, dass das Testament noch Gültigkeit haben soll, mithin der sich im Scheidungsverfahren befindliche oder geschiedene Ehegatte oder der frühere Verlobte. Er muss beweisen, dass der Erblasser die Verfügung auch für den Fall der Ehescheidung getroffen hat bzw. getroffen hätte.[249]

 

Rz. 335

Die Frage, ob die letztwillige Verfügung wirksam ist, ist im Erbscheinsverfahren und/oder im Wege der Feststellungsklage geltend zu machen. Beide Verfahren sind nebeneinander möglich. Der Nachteil der Feststellungsklage ist, dass kein Amtsermittlungsgrundsatz gilt, sondern der Beibringungsgrundsatz und die Parteien jeweils selbst die Beweismittel beizubringen haben. Die Feststellungsklage erwächst jedoch im Gegensatz zur Entscheidung im Erbscheinsverfahren in materielle Rechtskraft. Im Erbscheinsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, der Erbschein kann jedoch nur in formelle Rechtskraft erwachsen.[250]

 

Rz. 336

 

Hinweis

Aufgrund der Möglichkeit der Annahme, dass trotz der Scheidung oder Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens und der Zustimmung das Testament noch fortgilt, sollte dahingehend beraten und belehrt werden, dass vorsorglich letztwillige Verfügungen widerrufen werden. Ein einseitiges Testament wird gem. §§ 2253 BGB jederzeit durch Vernichtung, Veränderung oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung oder Abfassung eines neuen Testamentes widerrufen werden.

[243] Burandt/Rojahn/Czubayko, § 2077 Rn 2.
[244] BGH ZEV 2003, 328; OLG Celle ZEV 2003, 328.
[245] BayObLG FamRZ 1983, 839.
[247] BGH ZEV 2004, 423; OLG München ZEV 2008, 290; 2005 NJW-RR 1982...

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