Rz. 71

Eine Abmahnung kann grundsätzlich formfrei ausgesprochen werden, also insbesondere auch mündlich.[91] Wegen der strengen inhaltlichen Anforderungen kann jedoch nur dringend empfohlen werden, die Schriftform zur Beweissicherung einzuhalten. Abmahnungsberechtigt sind diejenigen Vorgesetzten, die maßgebliche Weisungsbefugnisse gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter haben. Dies muss nicht zwingend der Arbeitgeber selbst (Geschäftsführer, Vorstand) sein. In Betracht kommen alle Personen, denen intern Weisungsbefugnisse eingeräumt wurden, wie beispielsweise Abteilungsleiter oder Personalleiter.[92]

 

Rz. 72

Inhaltlich müssen bei einer Abmahnung zwingend bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst muss das Fehlverhalten genau nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bezeichnet werden. Damit wird der notwendigen Dokumentationsfunktion der Abmahnung Rechnung getragen. Bloße allgemeine Wertungen sind nicht ausreichend und machen die Abmahnung bereits aus diesem Grunde unwirksam.

 

Rz. 73

 

Praxishinweis

Sind einem Mitarbeiter verschiedene abmahnungswürdige Verfehlungen vorzuhalten, sollten gesonderte Einzelabmahnungen ausgesprochen werden. Denn bei nicht ausreichend konkretisiertem Sachverhalt eines gerügten Fehlverhaltens oder fehlender sachlicher Berechtigung nur eines einzelnen Vorwurfes ist die Abmahnung insgesamt rechtsunwirksam, selbst wenn andere Vorwürfe in derselben Abmahnung gerechtfertigt sind.[93]

 

Rz. 74

Neben der Dokumentationsfunktion muss auch die Hinweisfunktion der Abmahnung erfüllt werden. Der Arbeitnehmer muss also konkret darauf hingewiesen werden, dass ein bestimmtes Verhalten als vertragswidrig angesehen wird. Abgeschlossen wird die Abmahnung mit der konkreten Kündigungsandrohung (Warnfunktion). Fehlt die Kündigungsandrohung, ist die Abmahnung schon aus diesem Grunde rechtsunwirksam.[94] Dem Arbeitnehmer müssen die Sanktionen im Wiederholungsfalle deutlich bewusst sein. Nicht ausreichend sind undeutliche Formulierungen, die lediglich mögliche Sanktionen einbeziehen (Beispiel: Im Wiederholungsfall müssen Sie mit weiteren Maßnahmen rechnen.).[95] Bei weiteren Maßnahmen und/oder weiteren Sanktionen könnte es sich auch lediglich um den Ausspruch einer weiteren Abmahnung handeln. Solche Unsicherheiten müssen durch eine klare Formulierung vermieden werden.

 

Rz. 75

Für den Ausspruch der Abmahnung existiert keine Frist.[96] Um der notwendigen Warnfunktion aber Nachdruck zu verleihen, sollte nach Kenntnis des Verstoßes möglichst zeitnah, bestenfalls innerhalb von zwei Wochen die Abmahnung ausgesprochen werden. Bei einem längeren Zuwarten kann die Warnfunktion ihre Wirkung verlieren. Wird die Abmahnung erst viele Wochen nach dem Vorfall ausgesprochen, kann im Einzelfall sogar das Abmahnungsrecht verwirkt sein, denn das Rechtsinstitut der Verwirkung gem. § 242 BGB ist auch bei der Abmahnung zu beachten.[97] Hat bspw. der Arbeitgeber nach Kenntnisnahme des Vertragsverstoßes bei dem Arbeitnehmer durch eine allgemein gehaltene Äußerung den Eindruck erweckt, dass die Angelegenheit für ihn abgeschlossen sei, kann das Abmahnungsrecht bereits nach dreieinhalb Monaten der Untätigkeit bis zum Ausspruch der Abmahnung erloschen sein.[98] Dennoch gilt auch hier, dass jeweils sorgfältig nach dem Einzelfall entschieden werden muss, wobei ausschlaggebend insbesondere die Art und Schwere des Verstoßes sind.

 

Rz. 76

Der Betriebsrat ist bei dem Ausspruch einer Abmahnung nicht zu beteiligen.[99] Vor Ausspruch einer Abmahnung bedarf es auch keiner Anhörung des Arbeitnehmers. Die Wirksamkeit der Abmahnung wird bei unterlassener Anhörung nicht berührt. Im öffentlichen Dienst bestand nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 S. 1 BAT die Verpflichtung, den Arbeitnehmer vor Übernahme der Abmahnung in die Personalakte anzuhören. Der TVÖD sieht diese Verpflichtung jedoch nicht mehr vor. Generell ist aber zu empfehlen, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Abmahnung zu den Vorwürfen anzuhören damit der Sachverhalt ausreichend aufgearbeitet werden kann, um die Abmahnung dadurch konkreter zu formulieren.

 

Rz. 77

Die Abmahnung muss schließlich dem Arbeitnehmer auch zugehen. Erforderlich ist im Hinblick auf die Warnfunktion der Abmahnung die tatsächliche Kenntnisnahme.[100] Es ist also nicht – wie bei Kündigungen – ausreichend, wenn lediglich die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Allerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Kenntnisnahme (widerleglich) vermutet wird, wenn der Zugang feststeht.[101]

[91] HB-KR/Ruge, § 3 Rn 254.
[92] HB-KR/Ruge, § 3 Rn 253.
[93] Kammerer, Personalakte und Abmahnung, Rn 343 f.
[94] HB-KR/Ruge, § 3 Rn 252.
[95] Küttner/Schmidt, Personalbuch 2021, Abmahnung Rn 25.
[96] ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn 31.
[97] Küttner/Schmidt, Personalbuch 2021, Abmahnung Rn 31 ff;; zur Verwirkung siehe Palandt/Grüneberg, § 242 Rn 87 ff.
[98] Küttner/Schmidt, Personalbuch 2021, Abmahnung Rn 31 ff.
[99] HB-KR/Ruge, § 3 Rn 278.
[100] Kammerer, Personalakte und Abmahnung, Rn 333 ff.
[101] Küttner/Schmidt, Personalbuch 2021, Abmahnung...

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