I. Multilaterale Übereinkommen

 

Rz. 41

Als einziges auf dem Bereich des internationalen Erbrechts geltendes multilaterales Übereinkommen hat die Bundesrepublik Deutschland das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht vom 5.10.1961 ratifiziert. Dieses Übereinkommen hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, wurde es doch von zahlreichen Staaten, darunter der Hälfte der Mitgliedstaaten der EU, ratifiziert. Die kollisionsrechtlichen Regelungen des Übereinkommens wurden darüber hinaus in zahlreichen weiteren Staaten (z.B. in Italien und Tschechien) in das nationale IPR kopiert. In Deutschland hatte man sie 1986 im Rahmen der IPR-Reform der Klarstellung halber in Art. 26 Abs. 13 EGBGB übernommen ("inkorporiert").

 

Rz. 42

Gemäß Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO bleibt das Haager Testamentsformübereinkommen für die Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben – also damit auch Deutschland – nach dem Anwendungsstichtag (dem 17.8.2015) weiterhin vorrangig vor Art. 27 EuErbVO anwendbar. Für die Formwirksamkeit von Testamenten (auch gemeinschaftlichen Testamenten, vgl. Art. 4 des Übereinkommens) ist daher aus deutscher Sicht das Haager Testamentsformübereinkommen und nicht Art. 27 EuErbVO die einschlägige Kollisionsnorm.

II. Bilaterale Abkommen mit Drittstaaten

1. Allgemeines

 

Rz. 43

Auch bilaterale Abkommen mit Drittstaaten werden vom Vorbehalt des Art. 75 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO erfasst.[34] Solche Abkommen bestehen für zahlreiche Mitgliedstaaten. Beispielsweise haben Griechenland und Italien ein Abkommen mit der Schweiz abgeschlossen, das jeweils die Geltung des Heimatrechts auf dem Gebiet des Erbrechts vorsieht. Österreich hat zahlreiche Abkommen mit den Balkanstaaten abgeschlossen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind drei solcher Abkommen in Kraft, nämlich mit der Türkei, dem Iran und der ehemaligen Sowjetunion.

[34] Zu den sich aus der Anwendung ergebenden Problemen siehe § 2 Rdn 221 ff.

2. Nachlassabkommen mit der Türkei

 

Rz. 44

Leicht werden in der Praxis die Bestimmungen zum Erbstatut übersehen, die in einige bilaterale Abkommen eingestreut sind. Praktisch am wichtigsten ist das zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vereinbarte Nachlassabkommen, das die Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 bildet.[35] Dieses Abkommen gilt laut Bekanntmachung vom 26.2.1952[36] nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wieder. § 14 des Nachlassabkommens bestimmt das auf die Erbfolge anwendbare Recht wie folgt:

Zitat

§ 14

(1) Die erbrechtlichen Verhältnisse bestimmen sich in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte.

(2) Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre.

 

Rz. 45

Damit gilt im Verhältnis zur Türkei nicht das Aufenthaltsrecht, sondern das Heimatrecht des Erblassers als Erbstatut.[37] Für in Deutschland und in der Türkei belegene Immobilien eines aus dem jeweils anderen Abkommensstaat stammenden Erblassers kommt zwingend das jeweilige Belegenheitsrecht zur Anwendung, so dass bei Immobilien eines Deutschen in der Türkei und bei inländischen Immobilien eines türkischen Erblassers eine Nachlassspaltung eintritt.[38]

[35] RGBl 1930 II, S. 747.
[36] BGBl 1952 II, S. 608.
[37] Zu Einzelheiten siehe § 2 Rdn 207.
[38] Zu Einzelheiten siehe § 2 Rdn 220.

3. Deutsch-Sowjetischer Konsularvertrag

 

Rz. 46

Eine weitere erbrechtliche Kollisionsnorm enthält Art. 28 Abs. 3 des Deutsch-Sowjetischen Konsularvertrages vom 25.4.1958.[39] Diese Bestimmung lautet wie folgt:

Zitat

Art. 28

Hinsichtlich der unbeweglichen Nachlassgegenstände finden die Rechtsvorschriften des Staates Anwendung, in dessen Gebiet diese Gegenstände belegen sind.

 

Rz. 47

Zwar ist die Sowjetunion am 1.1.1992 untergegangen. Die Russische Föderation hat jedoch durch Note vom 24.12.1991 die völkerrechtlichen Verträge der früheren Sowjetunion übernommen.[40] Die meisten Nachfolgestaaten der UdSSR, nämlich Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland, haben sich dem angeschlossen.[41] Der Konsularvertrag mit seiner erbrechtlichen Kollisionsnorm gilt daher im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und diesen Staaten fort. Für in Deutschland wie auch in jenen Staaten belegenen unbeweglichen Nachlass eines Erblassers, der dem jeweils anderen Staat angehört, gilt also das jeweilige Belegenheitsrecht. In der Zwischenzeit ist das Abkommen aber durch die Staaten Turkmenistan und Armenien wieder gekündigt worden.[42] Im Übrigen bleibt es für Deutschland bei der Verweisung durch Art. 21 EuErbVO auf das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, bzw. auf das Heimatrecht des Erblassers, wenn dieser es gewählt hatte, Art. 22 Abs. 1 EuErbVO.[43]

 

Rz. 48

Die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland, die sich nicht als Rechtsnachfolger der...

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