A. Bedeutung der Fahrerlaubnis für den Mandanten

 

Rz. 1

Die Fahrerlaubnis hat für den Mandanten[1] eine überragende Bedeutung: Viele Mandanten sind beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Der – drohende – Entzug der Fahrerlaubnis oder Probleme bei der Wiedererteilung stellen eine erhebliche Belastung für den Betroffenen dar. Gerade ältere Kraftfahrer empfinden den Verlust der Fahrerlaubnis ehrenrührig. In jedem Falle ist der Kampf um die Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren bereits durch die Dauer des Verfahrens eine psychische Belastung für die Mandanten.

 

Rz. 2

In diesem Rechtsfeld tätig zu sein erfordert daher, sich in die Gedankenwelt des Mandanten einzufinden und seinen Ängsten zu begegnen. Weil die Fahrerlaubnis häufig Grundlage der wirtschaftlichen Existenz ist (Berufskraftfahrer, Handelsvertreter oder Versicherungsagenten), sind die Ängste der Mandanten deutlich übergreifend.

 

Rz. 3

Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn das Behalten oder die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Rede steht. Hier kommt neben der eben aufgezeigten Belastung und den Existenzängsten des Betroffenen die Furcht vor der Begutachtung hinzu. Allgemein ist die Vorstellung verbreitet, dass es bei der Begutachtung eine unangemessen hohe Negativquote gebe.

Neben Einfühlungsvermögen und Verständnis sollte daher der beratende Anwalt dem Betroffenen bei der Vorbereitung auf die Begutachtung Hilfestellung anbieten bzw. geben und/oder Wege zur Vorbereitung aufzeigen.

 

Rz. 4

Beratung und Vertretung in Führerscheinangelegenheiten erfordern ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Diesem kann nur derjenige entsprechen, der ein solches Mandat mit Engagement auf der Grundlage eines sicheren Fachwissens führt. Zu glauben, ein solches Mandat könne mit "Routine" geführt werden, ist unverantwortlich.

 

Praxistipp

Es ist wichtig, den Mandanten vor Augen zu führen, welche Gefahren verantwortungsloses Verhalten im Straßenverkehr birgt. Hier ist Offenheit und Klarheit auch für das zukünftige Verhalten der häufig wiederkehrenden Klientel erforderlich, um Position gegen Bagatellisierung und Indifferenz zu beziehen. Übrigens sei auch daran erinnert, dass nicht jedes angetragene Mandat auch angenommen werden muss. Ein schlechter Berater ist, wer sich damit rühmt, wie viele Punkte er sich bereits in Flensburg "erarbeitet" hat. Dabei gewinnt und bindet Mandanten, wer eine authentische und ehrliche Beratung bietet.

[1] Soweit hier die männliche Form verwendet wird, sei darauf hingewiesen, dass natürlich auch die weibliche Form gemeint ist. Falls erratisch die weibliche Form verwendet wird, ist selbstverständlich auch die männliche Form gemeint.

B. Mandatsannahme

I. Vorbereitung

 

Rz. 5

Für die Annahme eines verkehrsstrafrechtlichen oder bußgeldrechtlichen Mandats muss – ebenso wie bei anderen Mandaten – auch die Frage nach der wirtschaftlichen Bearbeitung gestellt werden.[2] Denn das Abarbeiten dieser Mandate ist nicht nur regressträchtig, sondern entscheidet auch darüber, ob sich der Rechtsanwalt zukünftig weiterer Mandatsübertragung erfreuen darf. Da es im Bereich der Verteidigung bzw. Vertretung im verwaltungsrechtlichen Verfahren um existenzielle Nöte und Bedürfnisse der Mandanten geht, sollten diese Mandate nicht nur "mitlaufen".

 

Rz. 6

Vor Annahme des Mandats obliegen dem Rechtsanwalt bereits Aufklärungspflichten, denen er nachzukommen hat. So ist zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2013 u.a. zu berücksichtigen, dass der Dienstleister, als der der Rechtsanwalt gesehen wird,

Angaben zu den wesentlichen Eigenschaften der Dienstleistung (Art. 246 Abs. 1 Nr. 1 BGB),
Name, Niederlassungsanschrift und vor allem Telefonnummer des Anwalts (Nr. 2),
den Gesamtpreis der Dienstleistung sowie ggf. die Art der Preisberechnung (Nr. 3),
Zahlungs-, Leistungs- und Lieferbedingungen, also z.B. den Termin, zu dem sich der Anwalt verpflichtet hat, die Dienstleistung zu erbringen (Nr. 4)

mitzuteilen hat.

Die Bereitstellung der Informationen hat dabei in "klarer und verständlicher Weise" zu erfolgen (Art. 246 Abs. 1 EGBGB).

 

Rz. 7

Zum (Vor-)Vertragsverhältnis Rechtsanwalt–Mandant[3] sind verschiedene Konstellationen denkbar, die bereits im Falle einer Verletzung der Pflichten zu einer Schadensersatzpflicht führen könnten. Dabei wird gefragt, ob die Parteien auf geschäftlicher Basis in Kontakt getreten sind und damit für beide Seiten Rechte und Pflichten aus einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB begründet worden sind. Denn aus dem Schuldverhältnis begründet sich nach § 241 Abs. 2 BGB die Informationspflicht (ohne dass die vorhergehende Frage oder Aufforderung durch die andere Partei erfüllt werden müsste) retrospektiv und als Hauptpflicht neben weiteren bestehenden Schutzpflichten.

 

Rz. 8

Vor einer Beratung ist zu der erstaunlicherweise immer noch nicht überall bekannten und bereits zum 17.5.2010 in Kraft getretenen Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV)[4] eine Aufklärung des Mandanten vorzunehmen. Diese erfolgt, wenn die erforderlich...

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