1. Möglichkeit der "Verständigung über den Fortgang und das Ergebnis im Verfahren"

 

Rz. 31

Zu den Verteidigungsgrundlagen gehört neben der Aktenkenntnis insbesondere die Sachverhaltsermittlung mithilfe des Mandanten. Die Rechtsprechung wandelt sich beständig. Die einschlägigen Tarife der jeweiligen möglichen Sanktionen zu kennen, ist für die sachgerechte Beratung unabwendbar. Insbesondere sollte das Gespräch mit anderen Verfahrensbeteiligten gesucht werden, um kostenintensive Hauptverhandlungen zu verhindern und schnelle Lösungen voranzutreiben. Daher muss sich der Rechtsanwalt mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2013 zur Verständigung befassen (vgl. im Einzelnen § 12 Rdn 8).[17]

 

Praxistipp

Beabsichtigt ein Gericht, Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung durchzuführen, ist einem unverteidigten Angeklagten wegen der Schwierigkeit der Rechtslage regelmäßig ein notwendiger Verteidiger zu bestellen.[18]

[18] OLG Naumburg, Beschl. v. 4.12.2013 – 2 Ss 151/13, StraFo 2014, 21, mit abl. Anm.: Wenske, NStZ 2014, 116 f.

2. Akteneinsicht

 

Rz. 32

Wie oben bereits erwähnt ist eine sachgerechte Verteidigung ohne Aktenkenntnis kaum möglich. Es dürfte zudem auch regressträchtig sein, sie nicht vorzunehmen. So gibt es beispielsweise Entscheidungen im Verkehrszivilrecht, die einen unvollständigen Sachvortrag aufgrund mangelnder Aktenkenntnis aus dem Bußgeld- oder Strafverfahren für das Zivilverfahren allein dem Rechtsanwalt zum Nachteil gereichen lassen. Denn ein Sachvortrag unter Bezugnahme auf die verspätet genommene Akteneinsicht in der Berufungsinstanz im Schadenersatzprozess ist dann schlicht präkludiert.

Natürlich müssen alle infrage kommenden Akten eingesehen werden. Über den Umfang der Akteneinsicht wird in den letzten Jahren vehement gestritten (vgl. im Einzelnen § 12 Rdn 40 ff.).

3. Kenntnis der Gesetzeslage und der Rechtsprechung

 

Rz. 33

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, neben Entscheidungen oberster Bundesgerichte auch Entscheidungen europäischer Gerichte zu kennen.[19] Dies gilt notwendig zum Recht der Fahrerlaubnis. Auch ist hier zu entscheiden, ob ggf. ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, mithin eine Beiordnung erfolgen sollte, falls die Gebühren nicht abgesichert sind.[20] Regelmäßig kann das bejaht werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bejaht werden kann, weil ein Beweisverwertungsverbot in Frage kommt.[21]

 

Rz. 34

Zu vergegenwärtigen ist, dass in verwaltungsrechtlichen Fahrerlaubnisverfahren die verschiedensten Fallgestaltungen in Betracht kommen, so z.B.:

Maßnahmen ohne Entzug der Fahrerlaubnis, z.B. Fahrtenbuchauflage,
Mögliche Maßnahmen aufgrund bestimmten Punktestandes, so z.B. Ermahnung oder Verwarnung,
Einfluss von mehr als zwei Punkten auf das Begleitete Fahren.
 

Praxistipp

Der Mandant ist über die Möglichkeit des Fahreignungsseminars grundsätzlich zu informieren.

 

Rz. 35

Vorladung des älteren Kraftfahrers durch die Straßenverkehrsbehörde wegen eines mitgeteilten Verkehrsverstoßes.
 

Praxistipp

Hier ist daran zu denken, eine in Betracht kommende medizinische, speziell neurologische Untersuchung der Fahreignung – allerdings durch einen Verkehrsmediziner mit entsprechender Qualifikation – auf privatem Wege zu initiieren. Auch ist, wenn eine Führerscheinmaßnahme nicht abzuwenden ist, daran zu denken, Einschränkungen der Fahrerlaubnis oder Auflagen zur Fahrerlaubnis in Erwägung zu ziehen. Erfahrungsgemäß sind auch die betroffenen Mandanten dankbar, wenn sie medizinische Sicherheit erlangen. Denn sie fragen sich häufig, ob sie physisch noch im Stande sind, sicher ein Kraftfahrzeug zu führen. Insofern ist es klug ihnen anzuraten, sich medizinische Gewissheit zu verschaffen.

 

Rz. 36

Maßnahmen wegen Drogenproblemen.
 

Praxistipp

Der Betroffene ist darüber zu informieren und zu belehren, dass ggf. ohne Vorankündigung ein Drogenscreening angeordnet werden kann, wenn er sich einer entsprechenden Überwachung unterwerfen will, um den Abstinenznachweis führen zu können. Auch ist der Mandant darauf hinzuweisen, dass es unbedingt erforderlich ist, von Drogeneinnahmen dauerhaft für alle in Frage kommenden Drogen abstinent zu sein, unabhängig davon, dass der Abbau von Drogensubstanzen sich oft über längere Zeit hinzieht. Denn es wird bei den Verfahren nicht nur auf diejenige Droge untersucht, die Anlass zur Begutachtung gegeben hat. Im Übrigen ist hierbei zu unterscheiden zwischen gegebener oder nicht gegebener Drogenabhängigkeit. Zu beachten ist, dass bei festgestellter Abhängigkeit nach Nr. 8.3 der Anlage 4 der FeV Eignung oder auch bedingte Eignung ausgeschlossen ist.[22]

Darüber hinaus ist der Betroffene darüber zu informieren, dass für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach verwaltungsrechtlichem Entzug oder nach Entzug durch das Strafgericht für die Wiedererteilung die Straßenverkehrsbehörde (Führerscheinstelle) zuständig ist. Diese erteilt die Fahrerlaubnis nur, wenn keine Eignungsmängel vorhanden oder festgestellte Eignungsmängel ausgeräumt sind. Der einzige Vorteil bei einer Wiedererteilung der Fahrerlaubni...

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