Rz. 118

Der in der anwaltlichen Praxis wichtigste Fall der Anpassung von Versorgungskürzungen ist die Anpassung wegen Unterhalt nach §§ 33, 34 VersAusglG, d.h. die Aussetzung der Kürzung einer durch den Versorgungsausgleich verminderten Versorgung, weil der ausgleichsberechtigte Ehegatte noch nicht in den Genuss der Versorgung kommt und noch unterhaltsberechtigt ist.

Gegenüber der früheren Regelung in § 5 VAHRG bringt die Neuregelung folgende Änderungen und Verschärfungen:

Auch bei grundsätzlich fortbestehender Unterhaltsverpflichtung kommt die Anpassung nur für Versorgungen i.S.d. § 32 VersAusglG in Betracht.[162]

Die Kürzung ist nicht mehr in voller Höhe auszusetzen, unabhängig von einer eventuell niedrigeren Höhe des Unterhaltsanspruchs, sondern nur noch in Höhe des Unterhaltsanspruchs. Eine weitere Einschränkung ergibt sich daraus, dass die Aussetzung der Kürzung höchstens in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten i.S.d. § 32 VersAusglG erfolgen kann, aus denen die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung bezieht.

Ist die Rente eines Mandanten aus der gesetzlichen Rentenversicherung um 600 EUR gekürzt worden bei einer Unterhaltsverpflichtung von 400 EUR monatlich, kann die Aussetzung der Kürzung nicht in Höhe von 400 EUR monatlich erreicht werden, wenn in der Versorgungsausgleichsentscheidung die Rentenanrechte des noch nicht rentenberechtigten Ehegatten um 300 EUR gekürzt worden sind. Dann kommt also nur eine Aussetzung der Kürzung in Höhe von (600 – 300) 300 EUR in Betracht.

Anspruchsvoraussetzung für die Aussetzung der Kürzung ist nach § 33 Abs. 1 VersAusglG weiter, dass der ausgleichsberechtigte geschiedene Ehegatte, der noch keine laufende Versorgung aufgrund der Anordnung des Versorgungsausgleichs erlangen kann, gegen den anderen geschiedenen Ehegatten "ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte". Dies macht nach inzwischen wohl herrschender Auffassung eine Überprüfung in zweierlei Richtungen notwendig: Zum einen ist zu prüfen, ob noch ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht. Das Familiengericht muss also selbstständig und grundsätzlich unabhängig von einer früheren gesetzlichen Festlegung des Unterhaltes oder einer Unterhaltsvereinbarung der geschiedenen Ehegatten überprüfen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung über eine Aussetzung der Kürzung nach den gesetzlichen Bestimmungen noch ein Unterhaltsanspruch besteht. Ferner muss es überprüfen, ob die durch den Versorgungsausgleich bewirkte Kürzung der Versorgung ursächlich dafür ist, dass ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nicht mehr oder nicht in voller Höhe erfüllt werden kann.
Die aus dem Wortlaut der Vorschrift abgeleitete Auffassung, die Aussetzung der Kürzung der Versorgung solle dementsprechend auch dann nicht in Betracht kommen, wenn der betroffene geschiedene Ehepartner trotz der Kürzung seiner Versorgungsbezüge aus anderen Mitteln in der Lage ist, den verbliebenen gesetzlichen Unterhaltsanspruch zu erfüllen, so wie umgekehrt eine Aussetzung der Kürzung zu unterbleiben habe, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte auch ohne die Kürzung seiner Versorgung nicht leistungsfähig wäre,[163] hat sich nicht durchgesetzt.[164] Der Bundesgerichtshof hat vielmehr klargestellt, dass die Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen Unterhalt nicht zur Voraussetzung hat, dass die Unterhaltsbelastung für den Ausgleichspflichtigen ohne die Anpassung eine unzumutbare Härte darstellt.[165] Bei der Ausformung des § 33 VersAusglG habe der Gesetzgeber die durch gleichzeitige Unterhaltsbelastung und Rentenkürzung eintretende Doppelbeanspruchung für sich genommen als Härte eingestuft und die Frage der Unzumutbarkeit nur daran angeknüpft, dass bestimmte Wertgrenzen überschritten werden müssen.[166] Das Familiengericht entscheidet über die Anpassung und deren Abänderung, § 34 Abs. 1 VersAusglG, in einem Verfahren nach § 217 f. FamFG. Obwohl sachlich über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Unterhaltsanspruchs zu entscheiden ist, was an sich Familienstreitsache ist und dem Anwaltszwang unterliegt, §§ 112 Ziff. 1, 114 Abs. 1 FamFG, entscheidet das Familiengericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz und ohne zwingende anwaltliche Vertretung der Beteiligten inzidenter über den Unterhaltsanspruch.[167]
Antragsberechtigt sind beide geschiedenen Ehegatten; zu beteiligen sind der oder die betroffenen Versorgungsträger, § 219 Ziff. 2 FamFG. Das Gericht ist zwar weder an eine gerichtliche oder notariell beurkundete Vereinbarung der (geschiedenen) Ehegatten noch an eine gerichtliche Festlegung des Unterhaltes durch Beschluss gebunden, kann aber bei Vorliegen eines solchen Vollstreckungstitels grundsätzlich von einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Berechtigten ausgehen, es sei denn, der ausgleichsverpflichtete Ehegatte könnte nach §§ 238, 239 FamFG, 767 ZPO den Titel beseitigen oder die Vollstreckung abwehren. Einwendungen gegen den titulierten nachehelich...

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