Rz. 104

Nach § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Die Vorschrift verzichtet im Gegensatz zu § 1587c BGB a.F. auf die Aufzählung von Anwendungsfällen, sondern beschränkt sich auf die Klarstellung, dass von grober Unbilligkeit nur auszugehen ist, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

Denkbare Fallgestaltungen finden sich in den Bereichen[142]

grobe Unbilligkeit,
wirtschaftliches Ungleichgewicht,
Zweckverfehlung,
kurze Ehedauer,
lange Trennungszeit,
persönliches Fehlverhalten der ausgleichsberechtigten Person,
treuwidriges Verhalten der ausgleichspflichtigen Person,
Bestehen schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche.

Weil jedes einzelne Anrecht betrachtet und ausgeglichen wird, erlaubt die Vorschrift nicht nur die Herabsetzung eines Ausgleichsanspruchs, sondern auch eine Belastung über den Halbteilungsgrundsatz hinaus, so dass es möglich wird, auch treuwidriges Einwirken eines Ehegatten auf den Bestand oder die Höhe eines auszugleichenden Anrechtes zu berücksichtigen. In Betracht kommt dies beispielsweise, wenn ein Ehegatte bei Geltung von Gütertrennung eine private Rentenversicherung durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich entzieht.[143]

Der Wegfall des Rentner- bzw. Pensionistenprivilegs rechtfertigt also systembedingte Härte nicht ohne das Hinzutreten besonderer Umstände im Einzelfall die Anwendung des § 27 VersAusglG,[144] so dass die Halbierung einer laufenden Rente grundsätzlich auch dann hingenommen werden muss, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte erst viele Jahre später rentenberechtigt wird. Zu Gestaltungsmöglichkeiten durch eine Vereinbarung siehe Rdn 106.

[142] Dazu ausführlich Weinreich/Klein/Wick, § 27 VersAusglG Rn 5 ff.
[143] Hierzu insbes. Borth, FamRZ 2011, 1919 als Anmerkung zu BGH FamRZ 2011, 1931; sowie BGH

FamRZ 2015, 998 mit Anm. Hoppenz.

[144] BGH FamRZ 2015, 1001 und 1004 mit Anm. Holzwarth.

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