Rz. 85

Die Beurteilung, wie umfassend die Unterrichtung zu sein hat, orientiert sich an dem Zweck dieser umfassenden Unterrichtung. Ziel soll sein, dass Arbeitgeber und Betriebsrat auf Augenhöhe über die geplante Betriebsänderung beraten können und am Ende dieser Beratungen ein Interessenausgleich vereinbart und ein Sozialplan aufgestellt werden kann. Um auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber beraten zu können, ist es nötig, dass der Betriebsrat über alle notwendigen Details[110] der geplanten Betriebsänderung in Kenntnis gesetzt wird. Die Unterrichtung ist eine Verpflichtung des Unternehmers. Er kann sich daher nicht darauf beschränken, lediglich Fragen, die der Betriebsrat stellt, zu beantworten und lediglich Unterlagen, die verlangt worden sind, vorzulegen. Es ist vielmehr an ihm selbst, den Betriebsrat über alle seiner Planung zugrundeliegenden Überlegungen zu informieren. Anhand der Unterrichtung muss der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, sich eigenständig ein Bild über das "Ob“ der geplanten unternehmerischen Maßnahme machen zu können. Er muss in die Lage versetzt werden, das vom Unternehmer geplante "Wie“ der Umsetzung der Betriebsänderung beurteilen zu können. Hierzu gehört auch, dass der Unternehmer ihn an seinen Ausgangsüberlegungen teilhaben lässt, die zur letztendlichen Planung geführt haben und dass auch Alternativszenarien, die das Stadium der bloßen Vorüberlegung verlassen hatten, dargelegt werden und anhand der notwendigen Informationen für eine Nachvollziehbarkeit begründet wird, warum diese Alternativszenarien verworfen worden sind.""

 

Rz. 86

Zur umfassenden Unterrichtung zählt zudem sowohl die Darlegung des zeitlichen Ablaufs, mit dem die Betriebsänderung umgesetzt werden soll als auch die Information über die Auswirkungen und sozialen Folgewirkungen der geplanten Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer. Sofern die Betriebsänderung mittelbare Auswirkungen auf die übrige Belegschaft, die von der Betriebsänderung nicht unmittelbar ­betroffen ist, haben kann, sind auch diese Auswirkungen darzustellen. Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch über die unternehmerische Zielsetzung, die mit der Betriebsänderung verfolgt wird, unterrichtet zu werden. Letztlich hat jede Betriebsänderung im Ergebnis zwei Komponenten, die zu berücksichtigen sind. Zum einen müssen sich Betriebsrat und Unternehmer darüber klar werden, wie die Betriebsänderung umgesetzt werden soll, und welche Auswirkungen sie auf die betroffenen Arbeitnehmer hat. Zum anderen müssen sich Unternehmer und Betriebsrat jedoch auch darüber klar werden, welche Zukunft der dann geänderte Betrieb und die in ihm beschäftigten Arbeitnehmer haben werden und wie sich die Betriebsänderung auf die Zukunftsfähigkeit des Betriebes auswirkt. Auch hierfür hat der Unternehmer die notwendigen Informationen bereitzu­stellen. Es sind Inhalt, Ausmaß und wirtschaftlicher Hintergrund der Maßnahme eingehend darzustellen und die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit anhand von geeigneten Unterlagen zu verdeutlichen. Der Betriebsrat ist auch über die sozialen ­Folgen der Betriebsänderung zu unterrichten. Er muss in die Lage versetzt werden, eigene Vorstellungen bezüglich des Inhalts eines abzuschließenden Sozialplans zu entwickeln.[111]

 

Rz. 87

 

Praxistipp

Auch wenn die Verpflichtung zur Unterrichtung dem Arbeitgeber zufällt, sollte der Betriebsrat alles seinerseits Mögliche tun, um dem Arbeitgeber die vollständige Erfüllung seiner Unterrichtungspflicht "zu erleichtern". Insbesondere wenn es um Details der Planung geht, sollte der Betriebsrat ggf. zusammen mit seinem Berater und mit gewerkschaftlicher Unterstützung, Fragenkataloge entwickeln und dem Arbeitgeber rechtzeitig zukommen lassen, damit dieser in der Unterrichtungsphase den Betriebsrat auch über die für diesen relevante Details unterrichten kann. Unbenommen bleibt davon natürlich, dass der Arbeitgeber seinerseits auch andere Unterlagen zusätzlich zur Verfügung stellt, die für seine Entscheidung tragend waren, die der Betriebsrat nicht angefordert hatte. Da die Beantwortung von Fragen durch den Arbeitgeber ­ihrerseits wieder neuerliche Fragen und Informationsbedürfnisse aufwerfen kann, empfiehlt es sich, hierauf ausdrücklich hinzuweisen.

 

Rz. 88

Anders als bei § 106 Abs. 2 BetrVG ist die Unterrichtung in diesem Zusammenhang nicht beschränkt. Es sind mithin auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mitzuteilen, wenn dies nötig ist, um die geplante Betriebsänderung nachvollziehen zu können, oder, wenn dies für die weiteren Beratungen erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, da es die weiteren Beratungen fördert und im Übrigen der Betriebsrat und seine Mitglieder natürlich der Geheimhaltungspflicht gem. § 79 BetrVG unterliegen.

 

Rz. 89

 

Praxistipp

Vor dem Hintergrund dieser umfassenden Unterrichtungspflicht weisen Arbeitgeber die Betriebsräte häufig nochmals auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit der ­Unterlagen bzw. Informationen hin. Bisweilen wird der Versuch unternommen, die Unterrichtung davon abh...

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