Rz. 43

In ständiger Rechtsprechung geht das BAG davon aus, dass unter Betriebsstilllegung die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen ist, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen.[39] Eine solche Betriebsstilllegung liegt auch dann vor, wenn die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft unter Aufgabe des Betriebszwecks zwar nicht von unbestimmter Dauer ist, sondern für eine im Voraus festgelegte, aber relativ lange Zeit erfolgt.[40] Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates greift jedoch auch, wenn ein wesentlicher Betriebsteil stillgelegt wird. Für die Frage, ob ein Betriebsteil als wesentlich anzusehen ist oder nicht, kann zum einen auf eine rein quantitative Betrachtung abgestellt werden oder aber auch auf eine qualitative Betrachtung. Geht man ausschließlich von einer quantitativen Betrachtung aus, so ist ein Betriebsteil wesentlich, wenn ein erheblicher Teil der Belegschaft in diesem beschäftigt ist. Maßgeblich sind auch insofern die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG.[41] Dabei kommt es aber nicht entscheidend darauf an, ob die von den Nachteilen betroffenen Arbeitnehmer in dem eingeschränkten Betriebsteil selbst oder auch in anderen Teilen des Gesamtbetriebs beschäftigt sind.[42] Der Wortlaut des Gesetzes gibt jedoch für eine Einschränkung auf eine rein quantitative Betrachtungsweise nichts her. Der Begriff des wesentlichen Betriebsteils kann auch qualitativ definiert werden. Die rein wirtschaftliche oder die sonstige Bedeutung eines Betriebsteils kann durchaus mit in die Prüfung einbezogen werden, ob ein wesentlicher Betriebsteil vorliegt.[43] Zwar hat das BAG in den bisherigen Entscheidungen nie das Vorliegen eines wesentlichen Betriebsteils allein aufgrund einer qualitativen Betrachtungsweise bejaht, es hat jedoch auch nie ausgeschlossen, dass eine derartige qualitative Betrachtungsweise für die Beurteilung des Tatbestands des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG herangezogen werden kann.[44]

 

Rz. 44

 

Hinweis

Gerade in den Fällen, in denen die Schwellenwerte für das Vorliegen eines wesentlichen Betriebsteils gem. Rechtsprechung knapp verfehlt werden, kann ein Rückgriff auf die qualitative Betrachtungsweise hilfreich sein. Im Übrigen wird stets, wenn ­qualitativ ein wesentlicher Betriebsteil vorliegen würde, zudem der Tatbestand einer grundlegenden Änderung von Arbeitsverfahren oder der Betriebsorganisation im Sinne von § 111 S. 3 Nr. 4 bzw. Nr. 5 BetrVG gegeben sein.

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