Rz. 598

Im Kündigungsschutzprozess trifft den Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und eine Weiterbeschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Der Arbeitgeber hat in diesem Zusammenhang detailliert darzulegen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirken.

 

Rz. 599

Gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG hat der Arbeitgeber die Pflicht, dem Arbeitnehmer auf Verlangen die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG sodann die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung hinsichtlich der Sozialauswahl als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen.

 

Rz. 600

Das BAG hat in diesem Zusammenhang eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entwickelt.[608] Demnach hat der Arbeitgeber die Gründe darzulegen, die ihn zu der von ihm getroffenen Sozialauswahl veranlasst haben. Den Arbeitnehmer trifft dagegen die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Unrichtigkeit der Sozialauswahl. Legt der Arbeitgeber seine Auswahlüberlegungen nicht offen, wird der Arbeitnehmer insoweit von seiner Darlegungs- und Beweislast befreit. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch in der Insolvenz bzw. im Insolvenzverfahren.

 

Rz. 601

Die Neuregelungen in § 1 Abs. 5 KSchG und die Regelung in § 125 InsO im Falle eines Interessenausgleichs mit Namensliste (siehe Rdn 488 ff.; § 2 Rdn 111 ff.) sind aber zu beachten.[609]

 

Rz. 602

 

Hinweis

Diese Vermutungswirkung eines Interessenausgleichs mit Namensliste musste als materielle Beweislastregel – anders als die prozessuale Vermutungsregel des § 4 KSchG – auch im Rahmen der Prüfung einer Sozialwidrigkeit im Rahmen des § 128 AFG a.F. bzw. des § 147a SGB III a.F. Berücksichtigung finden.[610] Die Regelung des § 147a SGB III a.F. mit der dort begründeten Erstattungspflicht des Arbeitgebers ist bekanntlich mit Ablauf des 31.1.2006 entfallen.

[609] Dazu Giesen, ZIP 1998, 46, 49; Grunsky/Moll, Rn 280 ff.; Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1092; die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet ihre Vermutungswirkung nicht für vor dem 1.10.1996 ausgesprochene Kündigungen, siehe LAG Köln v. 16.4.1998 – 10 Sa 1352/97, DRsp Nr. 2000/2221.
[610] Siehe auch Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 147a SGB III a.F. unter Ziff. 3.53; nach der Rechtsprechung des BSG sollte die Erstattungspflicht auch dann nicht gem. § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG (jetzt § 147a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III) entfallen, wenn der Arbeitnehmer einen entsprechenden Kündigungswunsch an den Arbeitgeber herangetragen hatte, siehe BSG v. 11.5.1999 – B 11 AL 73/98, EWiR 1999, 1089 (Peters-Lange).

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