Rz. 362

Von dem Grundsatz, dass die Zustimmung des Insolvenzgerichts gem. § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung ausgesprochene Kündigung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ist, besteht eine Ausnahme, wenn die Stilllegung von einer Behörde verbindlich angeordnet worden ist.[381]

 

Rz. 363

Das BAG hat entschieden, dass die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Unternehmensstilllegung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch den "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter wegen der von ihm beabsichtigten Stilllegung sei.[382] Das LAG Hessen[383] und das LAG Düsseldorf[384] hatten noch gegenteilig entschieden.

 

Rz. 364

Für das eröffnete Insolvenzverfahren differenziert das LAG Hamm[385] zwischen insolvenzrechtlichen Zustimmungsvorbehalten und Wirksamkeitsvoraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung durch den Insolvenzverwalter:

Zitat

"Die Stilllegungsabsicht ist eine innere Tatsache, die einer unmittelbaren objektivierten Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Äußere Begleitumstände und tatsächliche Entwicklungen lassen aber Rückschlüsse darauf zu, ob die behauptete Stilllegungsabsicht zutrifft. Zur Wirksamkeit der Kündigungen benötigt der Insolvenzverwalter weder die Zustimmung der Gläubigerversammlung gem. § 157 InsO noch des Gläubigerausschusses gem. § 158 InsO. Bei vorzeitiger Stilllegung des Unternehmens hat lediglich der Schuldner gem. § 158 Abs. 2 InsO die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht eine Untersagungsverfügung zu beantragen, wenn die Stilllegung ohne eine erhebliche Verminderung der Insolvenzmasse aufgeschoben werden kann. Der etwaige Vorbehalt des Insolvenzverwalters, die von ihm getroffene Stilllegungsentscheidung im Falle eines anders lautenden Beschlusses der Gläubigerversammlung oder des Gläubigerausschusses zu revidieren, hat auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung keinen Einfluss."

 

Rz. 365

Das entspricht der BAG-Rechtsprechung außerhalb der Insolvenz, wonach das Fehlen eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses vor der Stilllegungsentscheidung des Geschäftsführers auf die Wirksamkeit der Kündigungen nicht durchschlagen soll.[386] Eine Betriebsstilllegung bei einer juristischen Person bedarf kündigungsrechtlich keines Beschlusses des für die Auflösung der Gesellschaft zuständigen Organs. Kündigungsrechtlich ist nur entscheidend, ob der Handelnde oder die Handelnden die Stilllegungsentscheidung getroffen haben und ob im Zeitpunkt der hierauf gestützten Kündigung des Ar­beitsverhältnisses die Prognose gerechtfertigt war, dass es gemäß dieser Entscheidung planmäßig zur Betriebsstilllegung kommen wird.[387]

 

Rz. 366

 

Hinweis

Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des LAG Hamm für Abteilungsschließungen und für Wegrationalisierung von Führungsebenen.[388]

[381] LAG Hamburg v. 16.10.2003 – 8 Sa 63/03, ZIP 2004, 869, dazu EWiR 2004, 981 (Peters-Lange).
[382] BAG v. 27.10.2005 – 6 AZR 5/05, DZWIR 2006, 334 = ZIP 2006, 585; dazu EWiR 2006, 467 (Foerste).
[384] LAG Düsseldorf v. 8.5.2003 – 10/11 Sa 246/03, NZA-RR 2003, 466 = ZInsO 2003, 819.
[385] LAG Hamm v. 7.7.2004 – 2 Sa 175/04, LAG-Report 2005, 56.
[387] BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 15/02, AP Nr. 40 zu § 113 BetrVG 1972 = ZIP 2003, 1260.

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