Rz. 289

Der Urlaubsanspruch ist darauf gerichtet, für die Dauer der Urlaubszeit die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers zu beseitigen. Die übrigen Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bleiben hiervon unberührt und bestehen unverändert fort. Der Arbeitnehmer behält deshalb in der Urlaubszeit seinen arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch. Ein besonderer Urlaubsentgeltanspruch wird durch den Urlaubsanspruch nicht begründet. Dieser Vergütungsanspruch stellt eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar (siehe § 4 Rdn 27 ff.).

 

Rz. 290

Die Leistungsklage eines Neumassegläubigers ist mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, wenn er aus der freien Masse nicht befriedigt werden kann, ohne dass daneben die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, oder die zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Neumassegläubiger voll zu befriedigen. In diesen Fällen ist das Bestehen der Forderung des Neumassegläubigers, jedenfalls wenn eine auf sie entfallende Quote noch nicht feststeht, gerichtlich nur noch festzustellen.[305]

 

Rz. 291

Hat der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt, kommen Ansprüche aus Annahmeverzug nicht in Betracht. Das ist der Fall, wenn mit der Freistellung Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllt werden sollen. Dazu bedarf es der unwiderruflichen Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht.[306] Es ist dann für eine wirksame Anrechnung des Urlaubsanspruchs auf die Zeit der Freistellung nicht erforderlich, dass der Insolvenzverwalter innerhalb der längeren Kündigungsfrist den (kürzeren) Urlaub des Arbeitnehmers zeitlich genau festlegt. Es genügt die unwiderrufliche Freistellung während der Kündigungsfrist unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche.

 

Rz. 292

Ist der Arbeitnehmer vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch Urlaubgewährung von der Arbeit freigestellt worden, handelt es sich bei seinem Vergütungsanspruch nur um eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Für die insolvenzrechtliche Behandlung des Vergütungsanspruchs ist allein maßgeblich, dass der Arbeitnehmer nicht durch tatsächliche Leistung zur Insolvenzmasse beigetragen und der Insolvenzverwalter nicht im Interesse der Massegläubiger auf seine Arbeitsleistung zurückgegriffen hat. Auf die Ursache seiner Nichtbeschäftigung kommt es nicht an.[307]

 

Rz. 293

 

Praxistipp

Zu empfehlen ist aus Arbeitnehmersicht eine einseitige widerrufliche, aus Arbeitgebersicht eine einverständliche unwiderrufliche Freistellung, da nur durch Letztere Ansprüche auf Urlaub und Mehrarbeitsabgeltung erfüllt werden können.[308]

 

Rz. 294

 

Praxistipp

Im Falle einer widerruflichen Freistellung sollte der Arbeitgeber innerhalb der Freistellungsphase unter konkreter Datumsangabe ausdrücklich den Resturlaub und den etwaigen Freizeitausgleich gewähren.

 

Rz. 295

Wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses überschießende Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung bestehen, sind diese als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 InsO zu befriedigen. Wenn der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit anzeigt, führt dies zu einer Einordnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs als Altmasseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.[309]

[306] BAG v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01, ArbRB 2003, 133 (Kappelhoff) = NZA 2002, 1055 = ZInsO 2002, 947 = ZIP 2002, 2186 (Castendiek).
[308] BAG v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01, ArbRB 2003, 133 (Kappelhoff) = ZInsO 2002, 947 = ZIP 2002, 2186 (Castendiek); dazu Bauer/Krieger, DB 2005, 2242; Oelkers/Schmidt, NJW-Spezial 2005, 465 f.

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