Rz. 275

Ist der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung einseitig freigestellt worden, muss er sich dasjenige nach § 615 S. 1 und S. 2 BGB, § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er infolge des Unterlassens zumutbarer Arbeitsleistung erspart oder was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.[288]

 

Rz. 276

 

Hinweis

Beruht die Freistellung auf einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Insolvenzverwalter, ist anderweitig erzielter Verdienst jedoch nur dann anrechenbar, wenn dies so vereinbart wurde.[289]

 

Rz. 277

Ob der Arbeitnehmer nach unwiderruflicher Freistellung durch den Arbeitgeber (Insolvenzverwalter) noch einem Wettbewerbsverbot unterliegt, ist nicht abschließend geklärt. Nach den Entscheidungen des 2. und des 5. Senats des BAG vom 28.1.2010[290] und 6.9.2006[291] erscheint dies aber insgesamt als zweifelhaft:[292]

 

Rz. 278

Folge des Annahmeverzugs bei einer einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber ist – wie vorstehend ausgeführt – gem. § 615 S. 2 BGB die Anrechnung des Verdienstes, den der Arbeitnehmer infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erwirbt. Bei einer unwiderruflichen Freistellung unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes kann der Arbeitnehmer gem. § 157 BGB i.d.R. davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden zu sein. Dies ergibt sich aus der bei der Auslegung der Freistellungserklärung zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessenlage. Der Arbeitnehmer kann aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Arbeitgeber erkennbar oftmals einen Verdienst nur durch eine Tätigkeit erzielen, die im Wettbewerb zum Geschäftsfeld des Arbeitgebers steht. Wenn der Arbeitgeber gleichwohl durch die Freistellung den Annahmeverzug mit der Möglichkeit der Verdienstanrechnung herbeiführt, macht er deutlich, dass ihn Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers in der Zeit der Freistellung nicht stören.[293]

 

Rz. 279

Einen abweichenden Willen hat der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung zum Ausdruck zu bringen. Ist die Freistellungserklärung des Arbeitgebers dahin gehend auszulegen, dass abweichend von § 615 S. 2 BGB eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht erfolgen soll, kann der Arbeitnehmer redlicherweise nicht ohne ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers annehmen, der Arbeitgeber habe auf die Einhaltung des vertraglichen Wettbewerbsverbots verzichtet. Denn wenn der Arbeitgeber einen weiteren Verdienst nicht anrechnen will, kann er regelmäßig erwarten, der Arbeitnehmer erziele diesen Verdienst nicht durch Wettbewerbstätigkeit.[294]

 

Rz. 280

Nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls kann die Auslegung der Freistellungserklärung des Arbeitgebers auch ergeben, dass dem Arbeitnehmer damit für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist Urlaub erteilt werden sollte.[295] Legt der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung die genaue zeitliche Lage des Urlaubs nicht fest, ist des Weiteren denkbar, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Festlegung der zeitlichen Lage der Urlaubstage innerhalb des vorbehaltlos gewährten Freistellungszeitraums überlassen will und ihm im Übrigen den Abschluss eines Erlassvertrags i.S.v. § 397 BGB anbietet, durch den die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers aufgehoben werden soll. Dieses Angebot kann der Arbeitnehmer nach § 151 BGB annehmen.[296] Eine Anrechnung eines etwaigen Zwischenverdienstes des Arbeitnehmers ist in diesen Fallgestaltungen ausgeschlossen.

 

Rz. 281

Nach § 61 Abs. 1 HGB kann der Arbeitgeber bei einer Verletzung des Wettbewerbsverbots Schadensersatz fordern; er kann stattdessen auch verlangen, dass der Arbeitnehmer die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Arbeitgebers eingegangen gelten lässt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt. Der Arbeitnehmer ist nach § 61 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, ein mit dem Wettbewerber vereinbartes Festgehalt an die Klägerin herauszugeben; der Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Wettbewerber ist kein "Geschäft" i.S.v. § 61 HGB.[297]

 

Rz. 282

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Arbeit frei und bittet er den Arbeitnehmer zugleich, ihm die Höhe des während der Freistellung erzielten Verdienstes mitzuteilen, überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zeitliche Festlegung der Urlaubszeit und gerät während der verbleibenden Zeit gem. § 293 BGB in Annahmeverzug. Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, die konkrete Lage des Urlaubs innerhalb eines bestimmten Zeitraums selbst zu bestimmen. Ist der Arbeitnehmer damit nicht einverstanden, weil er ein Annahmeverweigerungsrecht geltend macht,[298] hat er dies dem Arbeitgeber ...

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