Was kann nicht durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden?

Arbeitgeber und Betriebsrat können als Betriebsparteien viele Fragen der betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung durch Betriebsvereinbarungen regeln, wie etwa Internetnutzung, Zeiterfassung etc. Doch manche Bereiche sind der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien verschlossen, über sie dürfen keine Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden.

Das Aushandeln und der Abschluss von Betriebsvereinbarungen bilden einen großen Teil der Ausübung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Betrieb. Um mache Betriebsvereinbarungen wird lange und heftig gerungen.

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Ende der Regelungsmacht - zwingendes staatliches Recht

Die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien ist grundsätzlich begrenzt durch zwingendes staatliches Recht. Hierzu gehören insbesondere: Gesetze, Verordnungen und durch Richterrecht gestaltete Rechtsgrundsätze.

Beispiel: Durch Betriebsvereinbarung kann keine von dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichende Urlaubsregelung getroffen werden (§ 13 BUrlG).

Grenze der Betriebsvereinbarungen: Tarifvorrang beachten

Die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien wird wesentlich eingeschränkt durch den „Tarifvorrang“ (§ 77 Abs. 3 BetrVG), wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, grundsätzlich nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.

Es können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicher Weise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, denn gem. § 87 Abs. 1 BetrVG steht dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in diesen Angelegenheiten nur zu, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.

  • Unter „Arbeitsentgelte“ versteht man jede in Geld zahlbare Vergütung oder Sachleistung des Arbeitgebers. Beispiele: Lohn, Prämien oder Gratifikationen.
  • Sonstige Arbeitsbedingungen“ sind alle Regelungen, die Gegenstand eines Tarifvertrages sein können wie Beginn und gegebenenfalls auch Ende des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort, zu leistenden Tätigkeit, Höhe und Fälligkeit des Arbeitsentgelts, Arbeitszeit, Urlaubsdauer, Kündigungsfristen.

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Seminar: Arbeitsrecht für Führungskräfte - Rechtssicherheit in schwierigen Führungssituationen

Das Seminar der Haufe Akademie zu den arbeitsrechtlichen Aspekten schwieriger Führungssituationen vermittelt Führungskräften die für eine souveräne Mitarbeiterführung benötigten Kenntnisse, um in dieser Position rechtssicher zu handeln und Haftungsrisiken zu minimieren.

Inhalte des Seminars sind u. a. 

  • Rechtssichere Vorbereitung der Einstellung: AGG-Fehler vermeiden, Fragerechte nutzen, Einfühlungsverhältnis und Praktikum.
  • Rechtssicherer Arbeitsvertragsabschluss: Befristete Einstellung, unbefristete Einstellung, Probezeit.
  • Umsetzung, Versetzung und Änderungskündigung in der Praxis: Direktionsrecht nutzen, einvernehmliche Vertragsänderung und Änderungskündigung.
  • Rechtssicherer Umgang mit Teilzeit- und Elternzeitansprüchen
  • Schwierige Mitarbeiter: Personalgespräche sicher führen, Abmahnung und Kündigung.
  • Umgang mit Krankheit und Fehlzeiten: Arbeitnehmerpflichten beachten, rechtssichere Dokumentation.

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Ausnahmen vom BV-Regelungsverbot: Öffnungsklausel

Von der Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 BetrVG bestehen jedoch drei Ausnahmen:

  • Der Tarifvertrag lässt ausdrücklich ergänzende Betriebsvereinbarungen zu „Öffnungsklausel“ . Hierbei sind jedoch exakt die Grenzen der betrieblichen Öffnung einzuhalten.
  • Eine Betriebsvereinbarung in der Form eines Sozialplanes nach § 112 Abs. 1 BetrVG unterliegt dem Tarifvorbehalt nicht.
  • § 77 Abs. 3 BetrVG gilt nicht für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen nach § 87 Abs. 1 BetrVG, also  soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht.  Insoweit gilt lediglich die Schranke des Eingangssatzes, der den Vorrang von Tarifverträgen in sozialen Angelegenheiten speziell regelt.

Regelungssperre gilt auch für nicht tarifgebundene  Arbeitgeber

  • Die Regelungssperre gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist.
  • Andererseits gilt sie nur, wenn in dem betreffenden räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich, in den der Betrieb des Arbeitgebers fällt, Tarifverträge abgeschlossen sind oder üblicher Weise abgeschlossen werden.
  • Die Regelungssperre gilt nur, soweit der Tarifvertrag bestimmte Arbeitsbedingungen tatsächlich regelt.

Beispiel: Die ausdrückliche oder konkludente, also durch deutliches Handeln dokumentierte Feststellung der Tarifvertragsparteien, für bestimmte Bereiche eine Regelung nicht treffen zu wollen, lässt die Regelungssperre entfallen.

Keine BV zu Ungunsten des Arbeitnehmers

Eine Betriebsvereinbarung, die sich für den Arbeitnehmer ungünstig auswirkt, ist unzulässig. Durch die Betriebsvereinbarung darf nicht die gesetzlich geregelte Rechtsstellung der Arbeitnehmer zu ihren Ungunsten gestaltet werden. Betriebsvereinbarungen, die gegen dieses Grundprinzip verstoßen, sind insoweit unwirksam.


BV muss Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers wahren

Die Betriebsparteien sind beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer verpflichtet.

Sie dürfen diese nur beschränken, wenn die getroffene Regelung zur Erreichung ihres Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (Schutzkleidung, Wahrung von Betriebsgeheimnissen).


Beispiel: Dementsprechend belastet eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, die von den Arbeitnehmern bereits während des  Kündigungsschutzprozesses die gerichtliche Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen verlangt, die vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängen, die Arbeitnehmer unverhältnismäßig und ist unwirksam (BAG, Urteil v. 12.12.2006, 1 AZR 96/06).

Privatsphäre der Arbeitnehmer respektieren

Eingeschränkt ist die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien auch insoweit, als die Betriebspartner nicht regeln dürfen, wie die Arbeitnehmer ihr Leben außerhalb des Betriebes verbringen und grundsätzlich nicht in ihre Privatsphäre eindringen dürfen.

Beispiel: So wäre etwa ein Krankenbesuch der Mitarbeiter in deren Privatwohnung ein Eindringen in deren deren Privatsphäre und stelle einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte dar (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 29.06.2006, 11 TaBV 43/05).

Auch die Kontrolle des privaten Mailverkehrs vom betrieblichen Rechner ist grundsätzlich unzulässig.




Hintergrund:

Die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist nach Art. 9 Abs. 3 GG Sache der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften.

Daher verbietet es  § 77 Abs. 3 BetrVG grundsätzlich, Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die schon durch einen fachlich und räumlich zutreffenden Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, durch eine Betriebsvereinbarung zu regeln (Tarifvorbehalt).

Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist oder wenn eine Verbesserung der tariflichen Regelung für die Arbeitnehmer beabsichtigt ist.

Schlagworte zum Thema:  Compliance, Betriebsvereinbarung, Betriebsrat