Reformvorschlag zur Stärkung der Betriebsratsrechte und Betriebsratswahlen
Am 21.2.2018 brachte die Linksfraktion einen Antrag im Deutschen Bundestag ein, mit dem sie die Bundesregierung zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) aufruft. Nach einer Debatte im Bundestag am 15.3.2018 wurde der Antrag an den Ausschuss für Arbeit und Soziales weitergeleitet, wo er aktuell weiter diskutiert wird. Dies sind die wichtigsten Forderungen:
Schwelle für vereinfachtes Wahlverfahren in Betrieben bis 100 Mitarbeiter
Das BetrVG sieht bereits aktuell ein vereinfachtes Wahlverfahren in kleineren Betrieben vor (§ 14a BetrVG). Dieses möchte die Linksfraktion auf
- Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern ausgedehnt wissen (bisher bis zu 50 Arbeitnehmer).
- Die Schwelle, auf der sich Wahlvorstand und Arbeitgeber freiwillig auf dieses vereinfachte Verfahren einigen können,
- soll auf Betriebe zwischen 100 und 200 Mitarbeitern angehoben werden (bisher zwischen 51 und 100 Arbeitnehmer).
Mit diesen Wünschen steht die Linksfraktion nicht allein auf weiter Flur. Dies avisiert auch der Koalitionsvertrag der CDU/CSU/SPD vom 12.3.2018. Das ist aber auch schon alles, worin DIE LINKE Rückendeckung der großen Parteien hat. Alle weiteren Antragspunkte werden daher wahrscheinlich nur schwer durchzusetzen sein.
Informationspflicht des Arbeitgebers zur Betriebsratsbildung
Zurückhaltung seitens anderer Parteien gibt es u.a. für die Forderung, dass in betriebsratstauglichen Betrieben, in denen (noch) kein Betriebsrat besteht, der Arbeitgeber initiativ tätig werden und
- eine jährliche Informationsveranstaltung einführen soll, auf der er über die Möglichkeiten einer Betriebsratsbildung aufklärt.
- Anschließend sollen die Arbeitnehmer ohne den Arbeitgeber geheim darüber abstimmen können, ob es eine Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes geben soll.
Beratung durch Sachverständige für Wahlvorstand und Betriebsrat
Wenn es nach der Linken geht, soll der Wahlvorstand jederzeit die Möglichkeit haben sachverständige Berater hinzuzuziehen. Für den Fall, dass der Arbeitgeber das für nicht notwendig erachtet, muss er die Einigungsstelle anrufen, die hierüber richtet.
Darüber hinaus soll ein Schulungsanspruch für Wahlvorstand und Ersatzmitglieder in § 20 BetrVG festgeszurrt werden. Nach dem Motto „vor der Wahl ist nach der Wahl“ soll sich der Betriebsrat eigenständig von sachkundigen Beratern bei seiner Arbeit unterstützen lassen. Bisher braucht der Betriebsrat hierfür das O.k. des Arbeitgebers (§ 80 Abs.3 BetrVG). Jetzt soll der Arbeitgeber zur Einigungsstelle gehen, wenn er nicht einverstanden ist.
Ausgedehntere Freistellung von der Arbeit für Betriebsratsmitglieder
Auch die zeitlichen Kapazitäten für die Betriebsratsarbeit möchte die Linksfraktion ausgedehnt wissen. Nach derzeitiger Rechtslage wird bei einer Unternehmensgröße von 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied voll von seiner Arbeit freigestellt. Geht es nach dem Vorschlag der Linken, sieht die Freistellung künftig so aus:
- ab einer Betriebsgröße von 51 bis 100 ein Mitglied eine halbe Vollzeitstelle,
- ab einer Beschäftigtengröße von 101 bis 200 ein Betriebsratsmitglied vollumfänglich,
- von 201 bis 500 Arbeitnehmern sollen zwei Betriebsratsmitglieder voll freigestellt und
- danach jeweils ein weiteres Betriebsratsmitglied für jede weitere Stufe des § 38 Abs.1 S.1 BetrVG.
Weiterbeschäftigungsanspruch für befristet beschäftigte Nicht-Azubis
Auszubildende, die Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder des Betriebsrats sind, haben - auch wenn der Arbeitgeber sie nach der Beendigung der Ausbildung nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen möchte - einen Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn sie es entsprechend verlangen. Der Arbeitgeber muss vor Gericht ziehen, wenn er meint, dies sei ihm unzumutbar (§ 78a BetrVG).
Diesen besonderen Weiterbeschäftigungsanspruch möchte DIE LINKE auf
- befristet beschäftigte Betriebsratsmitglieder und
- befristet beschäftigte Jugend- und Auszubildendenvertreter ausweiten, und zwar auch, wenn sie nicht in einem Ausbildungsverhältnis stehen.
Kündigungsschutz für 24 Monate
Wahlbewerber und Wahlvorstandsmitglieder genießen ab dem Zeitpunkt ihrer Aufstellung bzw. Bestellung bis sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses Kündigungsschutz (§ 15 KSchG). DIE LINKE möchte die sechs in 24 Monate verwandeln.
Besonderen Kündigungsschutz haben auch die drei ersten Arbeitnehmer, die zu einer Wahlversammlung einladen oder die Bestellung eines Wahlvorstandes beantragen und zwar bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Auch diese Mitarbeiter will DIE LINKE 24 Monate lang vor ordentlichen Kündigungen verschont wissen, und zwar alle, nicht nur die ersten drei Einladenden.
(Antrag der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag v. 21.2.2018, Drucksache 19/860).
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Hintergrund:
Gründung eines Betriebsrats
Es ist aktuell allein die Sache der Belegschaft zu entscheiden, ob im Betrieb ein Betriebsrat gewählt werden soll oder nicht. Es ist nicht die Aufgabe des Arbeitgebers darauf hinzuwirken. Wollen Mitarbeiter eines Betriebs zum ersten Mal einen Betriebsrat wählen, müssen sie also die Initiative ergreifen und zur Wahlversammlung einladen. In dieser wird dann der Wahlvorstand gewählt, der für die Durchführung der Betriebsratswahl zuständig ist. Lesen Sie mehr zur Betriebsratswahl in unserem Top-Thema.
Wenn noch kein Betriebsrat existiert kann die erstmalige Betriebsratswahl jederzeit durchgeführt werden. Neben den wahlberechtigten Arbeitnehmern können auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Wahlvorschläge machen.
Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber die Gründung eines Betriebsrats nicht verhindern darf, hat er auch eine Unterstützungs- und Mitwirkungspflicht den Arbeitnehmern gegenüber, die zur Wahlversammlung einladen: Er ist verpflichtet, alle nötigen Unterlagen und Auskünfte zu geben, anhand derer festgestellt werden kann, welche Beschäftigten wahlberechtigt und welche wählbar sind. Außerdem besteht die Verpflichtung, dem sich gründenden Betriebsrat, die Betriebsratswahl zu ermöglichen, sei es durch das Bereitstellen von Räumen oder Büromaterial.
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