Benachteiligung von Betriebsräten in ihrer beruflichen Entwicklung ist unzulässig
Arbeitgeber und Betriebsrat vertreten vielfach ganz unterschiedliche Interessen. Naturgemäß machen sich Betriebsratsmitglieder im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Arbeitgeber nicht immer beliebt. Der Gesetzgeber gewährt dem Betriebsratsmitglied daher einen speziellen Kündigungsschutz. Dieser nützt allerdings wenig, wenn es nicht um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses geht, sondern um das Auslaufen eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrages oder generell die berufliche Entwicklung. Hier kann im Einzelfall über § 78 Satz 2 BetrVG ein Schutz gegen unzulässige Benachteiligung hergeleitet werden.
Verbot der Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern
Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrates wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Eine Benachteiligung im Sinne der Vorschrift ist
- jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern,
- die nicht auf sachlichen Gründen,
- sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht.
Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich
Eine unzulässige Benachteiligung kann dabei auch dann vorliegen, wenn diese vom Arbeitgeber gar nicht beabsichtigt ist. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds beruht.
Benachteiligung bei beruflicher Entwicklung: typische Fälle
Zu einer Benachteiligung bei der beruflichen Entwicklung kann es typischer Weise dann kommen, wenn
- ein befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied nicht in ein unbefristetes oder auch nur weiteres befristetes Arbeitsverhältnis übernommen wird,
- ein befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied nur in ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis und nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wird oder
- ein Betriebsratsmitglied nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufsteigt.
Unzulässig nur bei Benachteiligung „wegen“ Betriebsratstätigkeit
Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung kann allerdings immer nur dann vorliegen, wenn sie gerade wegen der Betriebsratstätigkeit oder wegen des Betriebsratsmandats erfolgt (BAG, Urteil v. 25.6.2014, 7 AZR 847/12). Dies ist in der Praxis regelmäßig schwer nachweisbar.
Darlegungs- und Beweislast liegt beim Betriebsratsmitglied
Grundsätzlich trägt das Betriebsratsmitglied, das eine unzulässige Benachteiligung für sich in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung und damit auch dafür, dass die Benachteiligung gerade wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt.
BAG-Rspr. zu abgestufter Darlegungs- und Beweislast bei Ablehnung eines Folgevertrages
Besteht zwischen einem Betriebsratsmitglied und seinem Arbeitgeber Streit darüber, ob der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied durch die Ablehnung eines Folgevertrages unzulässig wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt hat, gilt im Prozess nach der Rechtsprechung des BAG eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (BAG, Urteil v. 25.6.2014, 7 AZR 847/12). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei der Frage, ob der Abschluss eines Folgevertrages vom Arbeitgeber wegen der Betriebsratstätigkeit abgelehnt wurde, um eine in der Sphäre des Arbeitgebers liegende „innere Tatsache“ handelt, die einer unmittelbaren Wahrnehmung durch den Arbeitnehmer oder Dritte nicht zugänglich ist.
Daraus folgend darf der Arbeitnehmer trotz fehlender genauer Kenntnis erst einmal die Behauptung aufstellen, ihm sei gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit der Abschluss eines Folgevertrages verweigert worden. Bei seinem Vortrag ist der Arbeitnehmer im Übrigen naturgemäß im Wesentlichen auf die Darlegung von Indizien beschränkt, aus denen sich ergibt, dass eine unzulässige Benachteiligung gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit vorliegt. Denkbar wäre hier etwa das Vorbringen,
- der Arbeitgeber habe allen anderen Arbeitnehmern Folgeverträge angeboten oder
- es habe Äußerungen des Arbeitgebers gegeben, aus denen sich schließen lasse, dass der Arbeitgeber einen Folgevertrag gerade wegen der Betriebsratstätigkeit abgelehnt habe.
Zu dem Vorbringen des Betriebsratsmitglieds muss sich der Arbeitgeber sodann im Prozess im Einzelnen konkret erklären. Dabei kann er die Indizien bestreiten oder seinerseits Umstände darlegen, die geeignet sind, die Indizwirkung der vom Arbeitnehmer vorgetragenen Indizien zu entkräften. Der Arbeitgeber kann insbesondere auch die Gründe offenlegen, die ihn dazu veranlasst haben, mit dem Betriebsratsmitglied keinen Folgevertrag zu schließen.
Folgen der unzulässigen Benachteiligung eines Betriebsrats
Benachteiligt ein Arbeitgeber unter Verstoß gegen § 78 Abs. 2 BetrVG ein befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied, indem er wegen dessen Betriebsratstätigkeit den Abschluss eines Folgevertrags ablehnt, hat das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Abschluss des verweigerten Folgevertrages als Schadensersatz (BAG, Urteil v. 25.6.2014, 7 AZR 847/12). Ein Betriebsratsmitglied, das wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen (BAG, Urteil v. 22.1.2020, 7 AZR 222/19).
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Hintergund: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot
Betriebsratsmitglieder dürfen bei ordnungsgemäßer Tätigkeit nicht anders behandelt werden als andere Arbeitnehmer. Dies betrifft zum einen das Benachteiligungsverbot, das z. B. die Zuweisung einer weniger angenehmen Arbeit wegen der Betriebsratstätigkeit ausschließt. Dies umfasst auch das Verbot der Zuweisung eines Großraumbüros statt eines Zweipersonenzimmers (LAG Köln, Urteil v. 26.7.2010, 5 SaGa 10/10).
Auch darf die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nicht aufgrund der Amtsausübung behindert werden. So verstößt eine von der Arbeitgeberin vorgenommene Auswahlentscheidung zwischen zwei geeigneten Bewerbern gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG, wenn eine Bewerberin ein freigestelltes Betriebsratsmitglied ist und die Arbeitgeberin bei dieser die Freistellung maßgeblich in ihre Auswahlerwägungen einbezogen hat (vgl. auch LAG Köln, Urteil v. 25.4.2016, 21 Sa 561/15).
Der Betriebsrat kann dann die Zustimmung zu der personellen Maßnahme gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern (LAG Hamburg, Beschluss v. 19.9.2012, H6 TaBV 2/12). Auch die Forderung des Geschäftsführers des Arbeitgebers, die Arbeitnehmerin habe als Bedingung für eine Stelle ihr Amt als Betriebsratsvorsitzende aufzugeben, verstößt gegen § 78 Satz 2 BetrVG (LAG Baden-Württemberg v. 30.12.2011, 14 Sa 103/11).
Zum anderen darf die Unabhängigkeit der Amtsführung nicht durch eine Begünstigung der Amtsträger, z. B. durch eine sachlich nicht gebotene Höhergruppierung gegenüber anderen Arbeitnehmern, in Zweifel gestellt werden.
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