Mit rkr. Urteil v. 6.11.2019 hat das FG München (FG München, Urteil v. 6.11.2019, 7 K 2095/16, EFG 2020, S. 982) entschieden, dass für Einstandspflichten aus Personalsicherheiten (z. B. Bürgschaft oder Garantie) im Haftungsfall keine Drohverlustrückstellung, sondern eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden ist. Da jedenfalls die aus dem Bürgschafts- oder Garantievertrag resultierende Einstandspflicht "nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zu einem vom Gläubiger für die Haftungsübernahme versprochenen Entgelt" stehe, sei für sie im Haftungsfall der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG nicht eröffnet, mit dem das im Streitfall beklagte Finanzamt die Rückstellung in der Steuerbilanz kassieren wollte.

Dem Urteil des FG München lag vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde: Eine 100 %-ige Tochtergesellschaft hatte Dritten – auf Vermittlung ihrer Mutter – (EUR-)Kredite ausgereicht. Die Mutter hatte sich gegenüber ihrer Tochter (durch entgeltlichen Auftrag) verpflichtet, das Kreditrisiko (Ausfallrisiko) der Tochter zu übernehmen. Für die Übernahme des Kreditrisikos erhielt die Mutter eine (laufende) Beteiligung an der von der Tochter erzielten (Zins-)Marge (Margenanteil 2/3). Die (einzige) Besonderheit des Streitfalls lag darin, dass das der Bürgschaft zugrunde liegende Auftragsverhältnis, in dem sich die Mutter (= Bürge) zur Übernahme der Personalsicherheit verpflichtete, nicht mit dem Schuldner (= Kreditnehmer der Tochter), sondern mit dem Gläubiger des Darlehens (= Tochter als Kreditgeber) abgeschlossen wurde. Dieser rechtskonstruktive Unterschied sei indes nicht entscheidungserheblich.

Nach dem FG München ist zwischen dem (hier: entgeltlichen) Vertrag, in dem sich die Mutter zur Übernahme einer Personalsicherheit verpflichtet (z. B. Geschäftsbesorgungsvertrag), einerseits und dem – in Erfüllung dieses Vertrags – abgeschlossenen Bürgschafts-/Garantievertrag (der die eigentliche Einstandspflicht begründe) andererseits zu unterscheiden. Dabei steht nur der entgeltliche Vertrag zur Übernahme einer Personalsicherheit durch die Mutter in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (Bereitschaft zur Übernahme einer Einstandspflicht gegen eine Margenbeteiligung). Mit dem Abschluss des Bürgschafts-/Garantievertrags ist dieses (eigenständige, synallagmatische) Vertragsverhältnis erfüllt und dessen Schwebezustand beendet. Nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis steht dagegen die aus dem Bürgschafts-/Garantievertrag im Haftungsfall resultierende Einstandspflicht; diese ist vielmehr – wie bei der Bürgschaft – eine einseitige Verpflichtung. Mithin ist für die Einstandspflicht im Haftungsfall eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden; eine Drohverlustrückstellung scheidet mangels eines schwebenden (gegenseitigen) Geschäfts aus.

 
Hinweis

Kernaussage

Das Urteil des FG München lehrt (über den entschiedenen Streitfall hinaus), dass nicht alle in einem gegenseitigen Vertrag geregelten Pflichten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen müssen. Von dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG für Drohverlustrückstellungen sind indes nur die Pflichten erfasst, die unmittelbar aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis resultieren. Ist bspw. in einem Mietvertrag auch eine Rückbauverpflichtung für erfolgte Mietereinbauten vereinbart, steht diese nicht in dem durch das Mietverhältnis begründeten Gegenseitigkeitsverhältnis (Überlassung von Räumlichkeiten gegen laufende Mietzahlungen); für die Pflicht zum Rückbau der Mietereinbauten ist deshalb über den Zeitraum der Nutzungsüberlassung ratierlich eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten infolge Erfüllungsrückstands zu erfassen.

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