Entscheidungsstichwort (Thema)

Zufluss von Arbeitslohn bei Einbehaltung zwecks Einzahlung auf ein noch einzurichtendes Zeitwertkonto

 

Leitsatz (redaktionell)

Behält der Arbeitgeber vereinbarungsgemäß Arbeitslohn ein, um ihn einem noch bei einer Bank einzurichtenden Zeitwertkonto zuzuführen, führt nicht bereits der Umstand, dass keine Zeitwertkontengarantie im Sinne des § 7b SGB IV besteht, zum Zufluss von Arbeitslohn bei den betreffenden Arbeitnehmern.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1, § 38a Abs. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1; AO § 191 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 7b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.06.2023; Aktenzeichen VI R 28/21)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht durch Haftungsbescheid für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Anspruch genommen hat.

Der Beklagte führte für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2013 eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin durch. Im Rahmen der Prüfung stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin bereits ab dem Jahr 2008 bei einigen Arbeitnehmern keine Versteuerung von entstandenen und fälligen Gehaltsansprüchen, bei denen es sich im Wesentlichen um Prämien handelt, durchgeführt habe.

Die Klägerin hat die Beträge im Einvernehmen mit den betroffenen Arbeitnehmern an diese nicht ausgezahlt, um sie auf noch bei der A-Bank einzurichtende Zeitwertkonten einzuzahlen. Die Wertguthabenvereinbarungen zum Zwecke der ruhestandsnahen Freistellung zwischen der Klägerin und den betroffenen Arbeitnehmern wurden erst im November 2011 abgeschlossen und die entsprechenden Beträge im März 2012 von der Klägerin den entsprechenden Zeitwertkonten, die im Rahmen eines Treuhandvertrages mit der B-GmbH (Treuhänder) gesichert sind, den Zeitwertkonten der jeweiligen Arbeitnehmer zugeführt.

Die Lohnsteueraußenprüfung vertrat die Auffassung, dass die Wertgutschrift auf einem Zeitwertkonto steuerrechtlich nur dann keinen Zufluss von Arbeitslohn auslöse, wenn bestimmte Vorgaben eingehalten seien. Zeitwertkonten seien unter anderem steuerrechtlich nur dann anzuerkennen, wenn die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung vorsehe, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens ein Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Beträge gewährleistet sei (sogenannte Zeitwertkontengarantie). Bis November 2011 seien die Voraussetzungen der Zeitwertkontengarantie mangels fehlender Zeitwertkonten nicht erfüllt.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Lohnsteueraußenprüfung und nahm die Klägerin durch Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 4. Dezember 2013 über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2009 bis 30. Juni 2013 in Anspruch. Die festgesetzten Haftungsbeträge betrugen dabei 41.812,98 EUR Lohnsteuer, 2299,43 EUR Solidaritätszuschlag, 34,55 EUR evangelische Kirchensteuer und 23,85 EUR römisch-katholische Kirchensteuer.

Auf den von der Klägerin eingelegten Einspruch reduzierte der Beklagte durch Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 22. Januar 2018 die Haftungsbeträge auf 24.534,98 EUR Lohnsteuer, 1349,14 EUR Solidaritätszuschlag, 34,55 EUR evangelische Kirchensteuer und 23,85 EUR römisch-katholische Kirchensteuer und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Der steuerliche Begriff der Zeitwertkonten orientiere sich am arbeits- und sozialrechtlichen Sinn und Zweck dieser Vereinbarung. Er stehe für eine Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nach der der Arbeitnehmer künftig fällig werdenden Arbeitslohn nicht sofort ausgezahlt erhalte, sondern dieser Arbeitslohn beim Arbeitgeber zunächst nur betragsmäßig erfasst werde, um ihn im Zusammenhang mit einer vollen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung während des noch fortbestehenden Dienstverhältnisses auszuzahlen. Bei einer steuerlich als Zeitwertkonto anzuerkennenden Vereinbarung werde nicht der Aufbau des Guthabens auf dem Zeitwertkonto besteuert, sondern erst die Auszahlung des Guthabens während der Freistellung. Es werde davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer durch die interne Gutschrift auf dem Zeitwertkonto noch keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die dem Zeitwertkonto zugeführten Beträge erlange, sodass kein Zufluss von Arbeitslohn vorliege. Für Zeitwertkonten sei im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in § 7d und § 7e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zur Führung und Insolvenzsicherung von Wertguthaben nun auch steuerrechtlich erforderlich, dass die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens einen Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Arbeitslohn-Beträge (Bruttoarbeitslohn im steuerrechtlichen Sinn ohne den Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) vorsehe (Zeitwertkontengarantie). Bei Zeitwertkonten-Modellen, die vor dem 1. Januar 2009 eingerichtet worden seien und ohne die Regelung zur Zeitwertkontengarantie steuerrechtlich anzuerkennen gew...

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