Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Inkompatibilität des Amtes als Betriebsratsvorsitzender mit dem Mandat als Datenschutzbeauftragter. Gründe für den Widerruf der Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Mitgliedschaft im Betriebsrat - sei es auch als Betriebsratsvorsitzender - und das Amt des Datenschutzbeauftragten können von dem Arbeitnehmer "in einer Person" ausgeübt werden. Es besteht keine Inkompatibilität zwischen diesen beiden Ämtern. Die für das Amt des Datenschutzbeauftragten geforderte Zuverlässigkeit wird nicht durch das Amt als Betriebsratsvorsitzender beeinträchtigt.

2. Nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG a.F. kann die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz entweder in entsprechender Anwendung von § 626 BGB oder bei nicht öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde widerrufen werden. Ein solches "Verlangen" kann nur die zuständige Aufsichtsbehörde aussprechen. Als wichtige Gründe i.S.d. § 626 BGB kommen insbesondere solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zusammenhängen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden, beispielsweise ein Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter.

 

Normenkette

BGB § 626; BDSG a.F. § 4f Abs. 3 S. 4; BDSG § 6 Abs. 4, § 38 Abs. 2 S. 2; DSGVO § 38 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 27.06.2018; Aktenzeichen 10 Ca 234/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.06.2023; Aktenzeichen 9 AZR 383/19)

BAG (EuGH-Vorlage vom 27.04.2021; Aktenzeichen 9 AZR 383/19 (A))

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 27.06.2018 - 10 Ca 234/18 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

2. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der Kläger unter dem Datum des 16.06.2015 wirksam als Beauftragter für Datenschutz bei der Beklagten bestellt wurde oder die Rechtsstellung als Beauftragter für Datenschutz durch den Widerruf der Beklagten vom 01.12.2017 bzw. vorsorgliche Abberufung vom 25.05.2018 beendet wurde.

Der am ...1972 geborene Kläger ist seit dem 01.01.2009 bei der Beklagten beschäftigt. Die Betriebszugehörigkeit ist seit dem 01.11.1993 anerkannt worden. Der Kläger ist in der Funktion als freigestellter Betriebsratsvorsitzender der Beklagten sowie als stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender in allen drei ...Unternehmen in ... tätig.

Die Beklagte ist Teil des ... Konzerns und 100%ige Tochtergesellschaft der ... GmbH (vormals AG), welche wiederum eine 100%ige Tochtergesellschaft der ... mit Sitz in ... ist. Vorstand der ... ist Herr ..., der zugleich auch Vorstandsvorsitzender der ... (... AG) mit Sitz in ... ist, der Muttergesellschaft der Beklagten.

Der Kläger wurde von der Beklagten und den weiteren in Deutschland ansässigen Gesellschaften ... GmbH, ... GmbH und ... GmbH mit Wirkung zum 01.06.2015 zum Datenschutzbeauftragten bestellt mit dem Ziel, einen konzerneinheitlichen Datenschutzstandard zu erreichen. Aus diesen Gründen erfolgte die Bestellung des Klägers als betrieblicher Datenschutzbeauftragter bei der Beklagten und als externer Datenschutzbeauftragter bei der ... GmbH (vormals AG), der ... GmbH und der ebenfalls in ... ansässigen ... GmbH.

In Auswertung der Umfrage bei Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern zum Thema Datenübermittlung ins außereuropäische Ausland und zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten richtete sich der ... Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit Schreiben vom 04.09.2017 an die Muttergesellschaft der Beklagten - die ... GmbH (vormals AG) - unter Bezug auf § 4 f Abs. 2 BSDG mit dem Hinweis, dass bei der Bestellung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten beachtet werden müsse, dass der Kandidat die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit besitze. Aufgrund der hauptberuflichen Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten als Betriebsratsvorsitzender wurde die Auffassung vertreten, dass Zweifel bestünden hinsichtlich der Zuverlässigkeit aufgrund bestehender Interessenkollisionen. Hierzu hat die ... GmbH (vormals AG) mit Schreiben vom 27.09.2017 Stellung genommen und unter Bezug auf das Urteil des BAG vom 23.03.2011 - 10 AZR 562/09 - die Auffassung vertreten, dass keine Inkompatibilität seitens des Klägers vorliege und von einer Eignung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter auszugehen sei.

Daraufhin hat der ... Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit Schreiben vom 24.11.2017 unter Bezug auf § 4 f BDSG nunmehr die Feststellung getroffen, dass der Kläger nicht über die notwendige Zuverlässigkeit verfüge, die für die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten notwendig sei. Es wird ausgeführt, eine Inkompatibilität mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden liege vor. Hervorgehoben durch Fettschrift wird erklärt: "Herr ... ist nicht wirksam als betriebl...

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