Über die gesetzliche Mitteilungspflicht in § 15 MuSchG hinaus können weitergehende Verpflichtungen sowohl in Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung als auch in einem Arbeitsvertrag vereinbart werden. Soweit es dem Arbeitgeber lediglich um die Einhaltung der mutterschutzrechtlichen Vorschriften geht, dürfte eine solche zusätzliche Verpflichtung selten vorteilhaft sein. Der Arbeitgeber darf zwar in der Theorie die Arbeitnehmerin schon ab dem objektiven Vorliegen der Voraussetzungen des Mutterschutzgesetzes nicht mehr beschäftigen. In der Praxis kann er sich an die Verbote jedoch erst halten, wenn er von den Umständen weiß (dann kommt meist vorsätzlicher Verstoß gegen Mutterschutzvorschriften in Betracht) oder die Umstände zumindest wissen könnte (dann kommt ein fahrlässiger Verstoß gegen Mutterschutzvorschriften in Betracht, vgl. insgesamt §§ 32, 33 MuSchG). Besondere vertragliche Verpflichtungen zur Mitteilung der Schwangerschaft z. B. ab einem bestimmten, frühzeitigen Zeitpunkt können für den Arbeitgeber daher nur sinnvoll sein, wenn er ein besonderes Interesse an frühzeitiger Kenntnis hat. Zu beachten ist, dass die Arbeitnehmerin ohnehin die vertragliche Nebenpflicht trifft, das Dispositionsinteresse beim Zeitpunkt der Mitteilung über die Schwangerschaft zu berücksichtigen.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitgeberinteresse an frühzeitiger Mitteilung der Schwangerschaft

Weitreichende arbeitsorganisatorische Umstrukturierungen werden bei Ausfall der Arbeitnehmerin erforderlich, die Arbeitnehmerin selbst ist hoch qualifiziert und daher nur nach aufwendiger Suche durch eine Ersatzkraft ersetzbar.

Verstößt die Schwangere gegen eine vertragliche (oder tarifvertragliche oder betrieblich vereinbarte) Mitteilungspflicht, so wird sie schadensersatzpflichtig. Der Schadensersatz bedingt im Regelfall (Schadensersatz aus sogenannter positiver Forderungsverletzung) ein Verschulden der Arbeitnehmerin (Vorsatz oder Fahrlässigkeit, § 276 BGB). Eine Kündigung ist wegen der Kündigungssperre des § 17 MuSchG ausgeschlossen.

Praktisch bedeutsam sind vorvertragliche Offenbarungspflichten und das Fragerecht des Arbeitgebers. Die Rechtsprechung verfährt anders als früher sehr restriktiv. Grundsätzlich ist die Frage nach der Schwangerschaft im Vorfeld der Einstellung unzulässig.[1] Das gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) selbst dann, wenn ausschließlich Frauen als Bewerber auftreten oder für den Arbeitsplatz infrage kommen.[2] Die Frage darf nach neuerer Rechtsprechung selbst dann nicht gestellt werden, wenn durch die in Aussicht genommene Tätigkeit gegen Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz verstoßen würde oder das Arbeitsverhältnis nicht realisiert werden könnte. Das BAG hat dies für unbefristete Arbeitsverhältnisse entschieden[3], der EuGH sogar für befristete Arbeitsverhältnisse, bei denen sich der Mutterschutz über den wesentlichen Teil des Beschäftigungszeitraums erstreckt.[4]

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