Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Öffentlicher Dienst. Kabinettsbeschluss. Gesamtrechtsnachfolge

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Überleitung von Arbeitsverhältnissen, die nicht im Wege der Einzelrechtsnachfolge erfolgt, stellt keinen Betriebsübergang nach § 613a BGB dar.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1, 6; NBG § 110 Abs. 4, § 261 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 10.10.2006; Aktenzeichen 13 Ca 272/05 Ö)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.06.2009; Aktenzeichen 8 AZR 336/08)

 

Tenor

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.10.2006 – 13 Ca 272/05 Ö – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist oder ob dem Übergang ein Widerspruch im Sinne des § 613 a Abs. 6 BGB entgegensteht.

Die Klägerin ist seit dem 1. August 1987 im niedersächsischen Landesdienst tätig. Seit dem 16. August 1990 war sie im Amt für Agrarstruktur tätig. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 2.427,34 EUR.

Im Januar 2004 beschloss die niedersächsische Landesregierung, die Ämter für Agrarstruktur aufzulösen. Sie entschied durch weiteren Beschluss vom 13. Juli 2004, die Fachbereiche 2 auf die Beklagte zu 2), die Landwirtschaftskammern, zu übertragen. In diesem Aufgabenbereich war die Klägerin zuletzt beschäftigt.

Grundlagen der Maßnahmen sind das Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen vom 5. November 2004 (GVBl. S. 394), der Beschluss der Landesregierung vom 13. Juli 2004 (Nds. MBl. S. 688), § 2 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben auf die Landwirtschaftskammern vom 20. Dezember 2004 (GVBl. S. 621) sowie der Erlass des ML vom 21. Dezember 2004 (Nds. MBl. S. 886). Die Verwaltungsvereinbarung vom 10./11. Dezember 2004 zwischen dem Land Niedersachsen und den Landwirtschaftskammern A-Stadt und B-Stadt regelt die Bezuschussung des beklagten Landes zur Finanzierung der notwendigen Aufgaben der Beklagten zu 2). Sie lautet auszugsweise:

Für den übergehenden Aufgabenbereich in Nutzung befindliche Sach- und Investitionsgegenstände (Büroausstattungen, Dienstwagen und Fachgeräte) gehen in dem gebotenen Umfang entschädigungslos in das Eigentum der Landwirtschaftskammer über. Da eine durchschnittliche buchmäßige Abschreibung der Gegenstände unterstellt wird, ist keine Kürzung der Sachkostenpauschale vorzunehmen. Mit dieser Pauschale sind aber auch kalkulatorische Abschreibung für künftige Neu-, Ersatz- und Ergänzungsbeschaffungen abgegolten.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 hat die Klägerin eine Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Übergang der Ämter werde im Geltungsbereich des § 613 a BGB vollzogen. Rechtsgeschäft im Sinne von § 613 a BGB sei die Verwaltungsvereinbarung vom 10./11. Dezember 2004. Mit der am 13. Juni 2005 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage hat sie ausdrücklich dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte widersprochen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht zum 1. Januar 2005 auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist, sondern mit dem Beklagten zu 1) fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, § 613 a BGB finde keine Anwendung. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses erfolge durch Gesetz. Grundlage sei § 110 Abs. 4 i.V.m. § 261 Abs. 1 Nr. 1 NBG. Es fehle an einem Rechtsgeschäft.

Durch Urteil vom 10. Oktober 2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Widerspruchsrecht zu, weil die Vorschrift des § 613 a BGB keine Anwendung finde. Das ursprünglich mit dem beklagten Land bestehende Arbeitsverhältnis sei gem. §§ 110 Abs. 4, 261 Abs. 1 Nr. 3 NBG – somit durch Gesetz – auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Auch aus sonstigen Gründen sei der Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht unwirksam. Die Verwaltungsvereinbarung vom 10./11. Dezember 2004 sei nicht die Grundlage des Übergangs. Sie setze den Übergang des Personals voraus und regele lediglich den Übergang der Sach- und Investitionsgegenstände. Im Übrigen begründe der Übergang der materiellen Betriebsmittel (wie Büroausstattung, Dienstwagen und Fachgeräte) keinen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB, weil sie nicht die Identität der Dienststelle ausmachten. Die Identität der Dienststelle werde durch die Aufgaben und das Personal charakterisiert. Eine analoge Anwendung des § 613 a Abs. 6 BGB scheide aus, weil der Gesetzgeber bewusst kein Widerspruchsrecht eingeräumt habe. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht sei nicht erkennbar. Der Eingriff in die Arbeitsplatzfreiheit der Klägerin sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der gesetzliche Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl werde durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, weil er in personeller Hinsicht den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Ämter ...

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