Kernelement der Vertrauensarbeitszeit ist die Fokussierung des betrieblichen Arbeitszeitmanagements auf die Schaffung transparenter und fairer Rahmenbedingungen für eine Ausbalancierung von Aufgaben und Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmer und Führungskraft.

Die impliziten Voraussetzungen erscheinen dabei oft schwieriger zu realisieren als die förmlichen betrieblichen Regelungen. Dies gilt insbesondere für die Abkehr von einer "Anwesenheitskultur". Besondere Bedeutung hat die Begleitung der Führungskräfte: Vertrauensarbeitszeit fordert von den Führungskräften die Entwicklung eines Selbstverständnisses weg vom "Anwesenheitskontrolleur" hin zum "Coach" eigenverantwortlich agierender Mitarbeiter, die sich hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung weitgehend selber "führen". Diese Rolle kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn ein Missverhältnis zwischen vereinbarter Arbeitszeit und Aufgabenumfang besteht: Insoweit ist die "Überlastsituation" gleichsam der Lackmustest der Vertrauensarbeitszeit, als ergebnisorientiertes und zugleich "zeitsensibles" Arbeitszeitmodell. Die in Rechtsprechung und juristischer Literatur diskutierte individualrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, aufgrund der EU-Grundrechtecharta ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem einzurichten, wirkt sich in der Praxis als verstärkendes Argument für die effektive Etablierung von Überlastszenarien aus. Die Einbindung ortsflexibler Arbeit ("mobiles Arbeiten") und das eigene Arbeitszeitverhalten der Führungskräfte können ebenfalls dazu beitragen, die Entwicklung einer ergebnisorientierten Arbeitskultur im Unternehmen, die Voraussetzung der Vertrauensarbeitszeit ist, zu fördern. Eine solche Vertrauenskultur bedarf im Übrigen immer der Unterstützung durch beide Betriebsparteien. Vertrauensarbeitszeit kann nur als gemeinsames Projekt der Betriebsparteien gelingen.

Unabhängig von der "Kulturfrage" muss der Arbeitgeber auch in der Vertrauensarbeitszeit seiner Verantwortung für die Einhaltung arbeitszeitschutzrechtlicher Bestimmungen gerecht werden und geeignete Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen entwickeln, die die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sicherstellen. Diese Verpflichtung wurde durch die vorstehend zitierte Entscheidung des BAG v. 13.9.2022 "geschärft". Die Begrenzung der Arbeitszeitverteilung durch entsprechende betriebliche Rahmenregelungen und die Nutzung der gesetzlichen zu führenden Arbeitszeitnachweise als Indikator für strukturelle arbeitszeitrechtliche Problemlagen können dabei eine wichtige Rolle spielen. Perspektivisch bleibt abzuwarten, welche Spielräume für Vertrauensarbeitszeit der Gesetzgeber im Zuge einer erweiterten arbeitszeitgesetzlichen Aufzeichnungspflicht bestehen lässt.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge