[1] Die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als selbstständig Tätige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen. Eine solche, vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (37, 38, 41). In ähnlicher Weise hat der 12. Senat des BSG schon in vorangegangener Rechtsprechung entschieden, dass es eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" nicht gibt (siehe Abschnitt 4.1).

[2] Das BSG hatte zwar in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung – überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts – bei bestimmten Angestellten einer Familiengesellschaft ausnahmsweise eine selbstständig Tätige für möglich gehalten, wenn sie "Kopf und Seele" der GmbH sind (8), weil sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen (13, 14), z.B. aufgrund ihres überlegenen Fachwissens bzw. als alleinige Branchenkenner (2, 8, 14) oder in der GmbH frei schalten und walten können wie sie wollen, da sie Gesellschafter persönlich oder wirtschaftlich dominieren (1, 11, 23).

[3] Der 12. Senat des BSG hat sich jedoch mit den folgenden Entscheidungen von der "Kopf und Seele"-Rechtsprechung distanziert.

[4] Angestellte in einer Familien-GmbH, die unterhalb der Ebene des Geschäftsführers tätig sind und über keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht verfügen, die sie in die Lage versetzt, Einfluss auf ihre Tätigkeit zu nehmen bzw. ihnen unangenehme Weisungen zu verhindern, stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, selbst wenn sie faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens sind und dieses nach eigenem Gutdünken leiten (37).

[5] Geschäftsführer einer (Familien-)GmbH, die nicht am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt sind und insofern über keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht verfügen, die sie in die Lage versetzt, Einfluss auf ihre Tätigkeit zu nehmen bzw. ihnen unangenehme Weisungen zu verhindern, stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, selbst wenn sie besonderes Fachwissen oder langjährige Erfahrung besitzen und faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens sind (38). Offen ließ das BSG dabei in dieser Entscheidung die Frage, ob überhaupt eine Familien-GmbH vorliegt, wenn zunächst lediglich eine Lebensgemeinschaft mit der späteren Ehefrau besteht.

[6] Mitarbeitende Gesellschafter einer Familien-GmbH, die aufgrund ihrer Gesellschaftsanteile keinen maßgebenden Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und damit rechtlich nicht über die Möglichkeit verfügen, ihnen nicht genehme Weisungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit abzuwehren, stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, selbst wenn sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse und ihrer faktischen Stellung "Kopf und Seele" der Familien-GmbH sind (41, nicht entscheidungstragend aber ergänzend).

[7] Über die drei Fallgruppen hinaus findet die "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung nach Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung auch keine Anwendung auf Gesellschafter-Geschäftsführer ohne umfassende Sperrminorität in einer Familien-GmbH und generell außerhalb einer Familien-GmbH (38).

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