Rz. 11

Gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG hat der Auszubildende einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung, wenn er aus einem in seiner Person liegenden Grund seine Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis nicht erfüllen kann, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.[1] Der Regelungsgehalt der Vorschrift deckt sich im Grundsatz mit § 616 BGB.[2] Im Gegensatz zu dieser allgemeinen Regelung ist § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG unabdingbar und nicht lediglich auf "eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" begrenzt. Während nach wie vor unklar ist, wie für § 616 BGB dieser unbestimmte Rechtsbegriff mit klaren Konturen versehen werden kann[3], ist für diese Vorschrift immerhin klar, dass der Anspruch auf 6 Wochen beschränkt ist..

[1] ErfK/Schlachter, BBiG, § 19, Rz. 5; Taubert, BBiG, § 19 Rz. 20.
[2] ErfK/Schlachter, BBiG, § 19, Rz. 5; Taubert, BBiG, § 19 Rz. 21.
[3] Vgl. etwa die Übersicht bei HWK/Krause, BGB, § 616 Rn. 40 ff.

3.2.1 Verhinderungsgrund

 

Rz. 12

Ein Verhinderungsgrund i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG muss subjektiv in der Person des Auszubildenden liegen.[1] Es muss ein subjektiver, in der Person des Auszubildenden liegender Grund vorliegen, der dem Auszubildenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben die Berufsausbildung unzumutbar macht. Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Kosten privater Lebensführung grundsätzlich nicht auf den Ausbildenden abgewälzt werden dürfen.[2]

Subjektive Verhinderungsgründe sind z. B.:

  • Familienfeiern, wie eigene Hochzeit[3], Konfirmation[4], goldene Hochzeit der Eltern[5],
  • Niederkunft der Ehefrau[6],
  • Umzug mit eigenem Hausstand,
  • schwerwiegende Erkrankung naher Angehöriger oder Erkrankung von unter 12-jährigen im Haushalt lebenden Kindern, die der Pflege, Beaufsichtigung oder Betreuung bedürfen[7], sofern keine anderweitige Versorgung besteht[8],
  • eine behördlich angeordnete Quarantäne nach dem IfSG[9]
  • behördlich angeordnete Termine, wie Vorladung als Zeuge, Anordnung einer Untersuchung oder Impfung.
 
Praxis-Beispiel

Der Auszubildende hat Rückenschmerzen und soll – auf Anweisung seines Hausarztes – bei einem Spezialisten für Wirbelerkrankungen untersucht werden. Dieser hat seine Praxis in einem 250 km entfernt liegenden Ort und nur vormittags Sprechstunde, sodass der Auszubildende wegen der Untersuchung seine Ausbildung an einem Freitag wegen des Arztbesuchs nicht wahrnimmt. Nach dem Arztbesuch nimmt der Auszubildende am kommenden Montag seine Aufgaben wieder auf. Der Ausbilder verweigert die Ausbildungsvergütung für diesen Tag unter Hinweis darauf, dass der Auszubildende ja nicht krank gewesen sei und daher keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe.

Ein Anspruch des Auszubildenden nach § 3 EFZG scheidet aus: Der Auszubildende war nicht aufgrund einer Erkrankung daran gehindert, seine Ausbildungsleistung zu erbringen. Bei dem Arztbesuch handelt es sich auch nicht um eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation während einer Erkrankung i. S. d. § 3 EFZG. Da der Auszubildende aber keine Möglichkeit hatte, außerhalb seiner Ausbildungszeit den Arztbesuch wahrzunehmen, hat er nach § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG einen Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung.

 

Rz. 13

Der Fortzahlungsanspruch gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG greift nicht, wenn wiederum nur das Risiko des Auszubildenden, den Betrieb zu erreichen, betroffen ist.[10]

[1] Taubert, BBiG, § 19 Rz. 20.
[2] BAG, Urteil v. 27.4.1983.
[8] BAG, Urteil v. 11.8.1982, 5 AZR 1082/79.
[9] ErfK/Schlachter, § 19 BBiG Rz. 6.
[10] ErfK/Schlachter, BBiG, § 19, Rz. 5 m. w. N.

3.2.2 Kausalität

 

Rz. 14

In Anlehnung an die Regelungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall muss im Rahmen des § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG ein monokausaler Zusammenhang zwischen subjektiver Verhinderung und Ausfall der Ausbildung bestehen. Soweit der Auszubildende bereits aus anderen Gründen, wie z. B. wegen Urlaub, nicht gearbeitet hätte, ist ein Fortzahlungsanspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG zu verneinen.[1]

[1] ErfK/Reinhard, EFZG, § 3, Rz. 14 f.

3.2.3 Fehlendes Verschulden

 

Rz. 15

Die Vorschrift setzt weiter voraus, dass der Auszubildende die Verhinderung nicht verschuldet hat. Auch beim Verschuldensbegriff ist an das Verständnis im EFZG anzuknüpfen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG liegt Verschulden in diesem Sinne vor, wenn in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstoßen wird.[1] Das Verhalten muss demzufolge besonders leichtfertig, also grob fahrlässig oder vorsätzlich sein.[2] Diese Voraussetzungen dürften während der Corona-Pandemie bei Reisen in ein sogenanntes Risikogebiet erfüllt gewesen sein, jedenfalls dann, wenn mit einer behördlichen Quarantäneanordnung nach Rückkehr zu rechnen war und die Ausbildung dann wegen einer tatsächlich angeordneten Quarantäne ausfällt.[3] Bei jugendlichen Auszubildenden ist b...

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