Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Einsicht in die Personalakten

 

Orientierungssatz

Aus nachwirkender Fürsorgepflicht kann sich ein Recht des Arbeitnehmers auf Einsicht in seine Personalakten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Voraussetzung ist, daß der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse darlegt. Erforderlich ist dann eine Interessenabwägung. Angesichts der Anerkennung des informationellen Selbstbestimmungsrechts durch das Bundesverfassungsgericht dürfen an der Darlegung des berechtigten Interesses allerdings keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 12.11.1992; Aktenzeichen 13 Sa 32/92)

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 14.11.1991; Aktenzeichen 3 Ca 325/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der im Jahre 1981 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Kläger einen Anspruch auf Einsichtnahme in seine Personalakten hat.

Der 1921 geborene Kläger war vom 10. Juni 1963 bis zum 30. November 1981 bei der Beklagten, dem Kernforschungszentrum Karlsruhe, beschäftigt. Für die Arbeitsbedingungen war zuletzt der Arbeitsvertrag vom 30. Mai 1974 maßgebend. Nach dessen § 3 richtete sich das Arbeitsverhältnis "auch nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen". In der Zeit vom 15. Juni 1974 bis zum 30. November 1981 war der Kläger gemäß der Vereinbarung vom 17. April 1974 zur Mitarbeit in der International Atomic Energy Agency (IAEA) Wien, abgeordnet. Am 11. Januar 1981 erlitt er einen Verkehrsunfall, der zu seiner vorzeitigen Verrentung führte. Mit Vereinbarung vom 17. November 1981 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis zum 30. November 1981.

In der Folgezeit begehrte der Kläger mehrmals Einsicht in seine Personalakten. Dies wurde ihm am 6. Februar 1985, am 28. Januar 1987, am 29. Oktober 1987 und am 5. November 1987 gewährt. Zwischen den Parteien ist - oder war - das Schiedsverfahren 81/88 vor der Schiedsstelle beim Patentamt gem. § 28 ff. des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen anhängig. Mit Schreiben vom 12. Juni 1991 bat der Kläger erneut um Einsicht in seine Personalakten. Dies lehnte die Beklagte ab.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 2. August 1991 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger dieses Ziel weiter. Er hat vorgetragen: In der Vergangenheit habe er die Personalakten, die vier Ordner umfassen, nicht vollständig zur Kenntnis nehmen können, zum einen deshalb, weil die Zeit nicht gereicht habe, zum anderen, weil sie unvollständig gewesen seien. Er habe auch ein rechtlich schützenswertes Interesse an einer weiteren Einsichtnahme in die Personalakten. Denn es bestehe begründeter Anlaß zu der Vermutung, daß die Beklagte ihn systematisch und willentlich lahmgelegt habe. So sei er trotz wiederholten Protestes unter sehr hohem Kostenaufwand ohne sinnvolle Notwendigkeit jahrelang ins Ausland delegiert worden. Sein Interesse an der Klärung ihn benachteiligender Vorgänge begründe sein Einsichtsbegehren. Im übrigen sei die Abordnung ins Ausland trotz mehrfachen Hinweises auf seinen Gesundheitszustand und entgegen ärztlich gegebener Mahnung erfolgt. Dennoch sei er jahrelang - pendelnd zwischen Wien und Karlsruhe - unfallträchtig auf der Straße gehalten worden. Nach dem Auffahrunfall am 11. Januar 1981 habe ihn die Beklagte in die vorzeitige Verrentung gedrängt. Da dieser Unfall zu wesentlichen gesundheitlichen Einbußen geführt habe, bestehe ein berechtigtes Begehren auf Einsicht in die Personalakten zur Klärung aller Vorgänge, die dem Unfall und der Delegation vorausgegangen bzw. nachgefolgt seien. Ihm, dem Kläger, sei bekannt, daß die Beklagte den Wegeunfall der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet habe; danach habe er, der Kläger, davon nichts mehr gehört. Weiter ergebe sich sein Interesse daraus, daß er ein Zeugnis benötige, das ihm bislang nicht übermittelt worden sei. Schließlich habe er, der Kläger, wegen des Schiedsverfahrens einen Anspruch auf Einsicht in seine Personalakten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm Einsicht in

seine Personalakten zu gewähren und zu gestatten,

daß er sich Fotokopien daraus anfertigt oder an-

fertigen läßt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Recht auf Einsicht in die Personalakten sei bereits durch den Eingangssatz der Vereinbarung vom 17. November 1981 ausgeschlossen, wonach diese Vereinbarung "zum Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Verrentung und Abgeltung seiner Ansprüche - ausgenommen Erfindervergütungen -" abgeschlossen worden sei. Zudem sei ein etwaiger Anspruch auf Akteneinsicht nach § 70 BAT verfallen und ein etwaiges nachvertragliches Einsichtsrecht verwirkt. Im übrigen habe der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme dargelegt. Soweit es um den Verkehrsunfall gehe, so verkenne der Kläger, daß eventuelle Ansprüche gegen den gesetzlichen Unfallversicherungsträger ihm selbst als Versicherten zustünden. Das berechtigte Interesse des Klägers ergebe sich auch nicht aus den angeblichen Erfindungen, die er gemacht habe. Denn die Unterlagen über Arbeitnehmererfindungen seien nicht Gegenstand der Personalakten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der durch Senatsbeschluß vom 4. August 1993 zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß ihm die Beklagte Einsicht in seine Personalakten gewährt und die Anfertigung von Fotokopien gestattet. Allerdings bezieht sich der Antrag des Klägers nicht auf die von der Abteilung Patente und Lizenzen des Beklagten geführten Akten.

I. Der Antrag des Klägers bedarf der Auslegung. Der Kläger hat seinen Antrag zunächst mit seinem Interesse an der Klärung der Vorgänge im Zusammenhang mit seiner "Delegation" ins Ausland und der Vorgänge, die seinem Unfall vorausgingen und nachfolgten, begründet, weiter mit dem Umstand, daß ihm bislang kein Arbeitszeugnis erteilt worden sei. Schließlich hat er sich zur Begründung seines Antrags auch auf seine Erfindungen bezogen.

Das Recht der Erfindungen und technischen Verbesserungsvorschläge von Arbeitnehmern, Beamten und Soldaten hat im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen eine ausführliche Regelung erfahren. Nach § 15 Abs. 1 ArbNErfG hat "der Arbeitgeber ... dem Arbeitnehmer zugleich mit der Anmeldung der Diensterfindung zur Erteilung eines Schutzrechts Abschriften der Anmeldeunterlagen zu geben. Er hat ihn von dem Fortgang des Verfahrens zu unterrichten und ihm auf Verlangen Einsicht in den Schriftwechsel zu gewähren". Es gibt weiter eine umfangreiche Rechtsprechung zu den Ansprüchen des Arbeitnehmers auf Auskunft und Rechnungslegung (vgl. Bartenbach/Volz, Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, 2. Aufl., § 12 Rz 162 ff.). Nach § 39 ArbNErfG sind "für alle Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers ... die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte (§ 143 des Patentgesetzes) ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig". Gemäß § 26 ArbNErfG werden "die Rechte und Pflichten aus diesem Gesetz ... durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt".

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren das Aktenzeichen des Schiedsverfahrens mitgeteilt. Sie hat ferner vorgetragen, ihre Abteilung Patente und Lizenzen führe generell folgende Arten von Akten:

- die Erfindungs- und Patentakten nach den Vor-

schriften des ArbNErfG und des PatG;

- die Lizenzakten;

- die Prozeßakten über das anhängige Schiedsver-

fahren vor dem Deutschen Patentamt.

In dem Schiedsverfahren seien ausschließlich Schriftstücke aus diesen Akten zitiert und vorgelegt worden. Der Kläger hat dafür Beispiele angeführt. Im übrigen hat keine der Parteien zu dem Verfahren und dessen Gegenstand etwas vorgetragen. Vielmehr hat die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die genannten Akten mit den Personalakten des Klägers nichts zu tun hätten. Der Kläger hat dem nicht widersprochen. Er hat seine Klage u.a. damit begründet, daß er seine vier Ordner umfassende Personalakten nicht vollständig habe zur Kenntnis nehmen können. Die von der Abteilung Patente und Lizenzen geführten Akten sind aber nicht Teil dieser vier Ordner. Es ist daher davon auszugehen, daß sich der Antrag des Klägers im vorliegenden Verfahren nicht auf die von der Abteilung Patente und Lizenzen geführten Akten bezieht. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um Personalakten im materiellen Sinne handelt, also um eine "Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Bediensteten betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen" (vgl. BAG Urteil vom 7. Mai 1980 - 7 AZR 214/78 - AuR 1981, 124, 125).

II.1. Das Landesarbeitsgericht hat seine der Klage stattgebenden Entscheidung wie folgt begründet: Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsicht in die Personalakten sei weder beschränkt auf den von § 83 BetrVG unmittelbar erfassten Personenkreis noch auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Er leite sich nämlich nicht originär aus § 83 BetrVG und nach richtiger Bewertung nicht aus einer wie immer zu definierenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers her. Seine Grundlage sei vielmehr das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Anspruch auf Einsicht in die Personalakten bestehe daher schon deswegen, weil der Arbeitgeber solche führe, und daher auch, solange er dies tue, unabhängig von dem Bestand und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Anspruch sei auch weder durch die allgemeine Ausgleichsklausel im Eingangssatz der Auflösungsvereinbarung vom 17. November 1981 ausgeschlossen noch erfüllt, noch tariflich verfallen, noch nach allgemeinen Rechtsvorschriften verwirkt.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

2. Sie beruht auf der früher vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht (vgl. z.B. BAGE 13, 168 = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dagegen anerkannt, daß die Grundrechte lediglich mittelbar auf das Privatrecht einwirken (BVerfGE 34, 269, 280; BAG Großer Senat BAGE 48, 122, 139 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Im einzelnen gilt folgendes: Das Grundgesetz hat in seinem Grundrechtsabschnitt verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts getroffen. Diese sind bei der Gesetzesauslegung, insbesondere aber bei der Konkretisierung und Anwendung der Generalklauseln wie §§ 138, 242, 315 BGB zu beachten. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß im Privatrecht beide Parteien Grundrechtsträger sind. Die Gerichte haben den konkurrierenden Grundrechtspositionen ausgewogen Rechnung zu tragen (BVerfGE 81, 242, 255; BVerfG Beschluß vom 19. Oktober 1993, ZiP 1993, 1775, 1780). Damit gewinnt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten Bedeutung (BAGE 48, 122, 139 = AP, aaO). Das gilt insbesondere auch für den Inhalt der Fürsorgepflicht, die ihrerseits Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben - §242 BGB - ist (BAGE 50, 202 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu I 3 a der Gründe). Es bedarf aber stets einer Güter- und Interessenabwägung (BAGE 54, 365 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht).

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1) umfaßt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Danach ist der einzelne unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten geschützt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht (aaO, S. 43) ausgeführt: "Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß." Allerdings ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet, da der einzelne gemeinschaftsbezogen und -gebunden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen (aaO, S. 45), daß nur zu entscheiden war "über die Tragweite dieses Rechts für Eingriffe, durch welche der Staat die Angabe personenbezogener Daten vom Bürger verlangt".

Das ändert jedoch nichts daran, daß das informationelle Selbstbestimmungsrecht als wichtiger Bestandteil des Persönlichkeitsrechts im Arbeitsrecht Auswirkungen hat. Es ist - wie das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend erkannt hat - auch bei der Beantwortung der Frage zu beachten, ob und inwieweit der ausgeschiedene Arbeitnehmer Einsicht in seine Personalakten beanspruchen kann. Das gilt um so mehr, als der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Personalaktenrechts der Beamten (§§ 90 ff. BBG; §§ 56 ff. BRRG) das Persönlichkeitsrecht des Beamten hat stärken wollen und sich dabei auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts bezogen hat (BT-Drucks. 12/544, S. 1, 10 f.).

III.1. Die Ansprüche des Klägers ergeben sich weder aus § 13 BAT noch aus § 83 BetrVG. Nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat mit Urteil vom 8. April 1992 (- 5 AZR 101/91 -, n.v., zu III 2 der Gründe) angeschlossen hat, besteht das Einsichtsrecht nach den genannten Vorschriften nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hätten die Tarifvertragsparteien gewollt, daß das Einsichtsrecht nach dem Ausscheiden aus dem Dienst fortbesteht, hätten sie dies auch vereinbart, wie z. B. in § 9 Abs. 4 BAT hinsichtlich der Schweigepflicht. Insofern weicht § 13 BAT auch von den für Beamte damals und heute geltenden Vorschriften (§ 90 Satz 1 BBG a.F., § 90 c Abs. 1 BBG n.F.) ab. Auch dem Gesetzgeber des BetrVG war die abweichende beamtenrechtliche Regelung bekannt.

2. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen kann (BAG Urteil vom 17. Januar 1956 - 3 AZR 304/54 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Urteil vom 2. Dezember 1986 - 3 AZR 323/86 - AP Nr. 9 zu § 611 BGB Deputat). Aus nachwirkender Fürsorgepflicht kann sich auch ein Recht des Arbeitnehmers auf Einsicht in seine Personalakten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben (BAG Urteil vom 8. April 1992, aaO; LAG München - Vorinstanz zu BAG Urteil vom 8. April 1992 - Urteil vom 18. Dezember 1990 - 2 Sa 287/90 - ZTR 1991, 333; vgl. auch Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 83 Rz 8). Voraussetzung ist, daß der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse darlegt. Erforderlich ist dann eine Interessenabwägung. Angesichts der Anerkennung des informationellen Selbstbestimmungsrechts durch das Bundesverfassungsgericht dürfen an die Darlegung des berechtigten Interesses allerdings keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.

a) Der Vortrag des Klägers genügt aber auch geminderten Anforderungen nicht. Sein allgemeines Interesse, lange Zeit zurückliegende Vorgänge auch im Zusammenhang mit seiner Auslandstätigkeit und dem Unfall aufzuklären, reicht nicht aus. Es wäre erforderlich gewesen, ein konkretes Interesse darzutun. Der Kläger hat sich zwar in seinem Schriftsatz vom 15. Oktober 1992 auf ein Schreiben vom 19. Dezember 1985 bezogen, das seine früheren Rechtsanwälte in seinem Auftrag an den Vorstand der Beklagten gerichtet haben, in dem sie u.a. Schadenersatzansprüche geltend machen. Daß aber der Kläger Schadenersatzansprüche auch noch heute geltend macht, ist nicht ersichtlich. Die Bezugnahme auf dieses Schreiben im Schriftsatz vom 15. Oktober 1992 sollte nur zeigen, "wie mit dem Kläger verfahren wurde". Es diente also nur der Sachverhaltsdarstellung.

b) Hinsichtlich des Unfalls hatte der Kläger in erster Instanz vorgetragen, er habe zweifelsohne Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft, wenn auch der eingetretene Körperschaden erst etwa neun Jahre später durch die weiterentwickelte Untersuchungstechnik habe festgestellt werden können. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, daß er sie dieser gegenüber geltend gemacht hat oder in absehbarer Zukunft geltend machen wird und inwiefern ihm dabei die Einsichtnahme in die Personalakten von Nutzen sein könnte. Hinsichtlich der Vereinbarung vom 17. November 1981 ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger zu keiner Zeit deren Gültigkeit in Frage gestellt hat. Die einjährige Frist zur Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung (§ 124 Abs. 1 BGB) ist ohnehin längst verstrichen.

c) Soweit der Kläger darauf verweist, daß ihm kein Zeugnis erteilt worden ist, so muß er sich entgegenhalten lassen, daß er dies bislang auch nicht beansprucht hat. Im übrigen hat er nicht ausgeführt, inwiefern er dazu der Einsicht in die Personalakten bedarf. Es sei ferner auf das Urteil des Senats vom 23. Februar 1983 (BAGE 42, 41 = AP Nr. 10 zu § 70 BAT) verwiesen, wonach der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses der Ausschlußfrist des § 70 BAT unterliegt.

Schließlich hat er auch im Hinblick auf das Schiedsverfahren keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß sich in den Personalakten, deren Einsicht er begehrt, für ihn verwendbares Material befinden könnte.

d) Der Kläger hat in seinem beim Bundesarbeitsgericht am 10. Mai 1994 eingegangenen Schriftsatz weitere Tatsachen behauptet, aus denen sich sein Interesse an der Einsichtnahme ergeben soll. Damit kann der Kläger nicht gehört werden. Denn nach § 561 Abs. 1 ZPO unterliegt "der Beurteilung des Revisionsgerichts ... nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist".

3. Auf die Frage, ob ein etwaiger Anspruch des Klägers durch die Vereinbarung vom 17. November 1981 ausgeschlossen ist, kommt es nach alledem nicht mehr an.

Dr. Gehring Bröhl Dr. Reinecke

Ackert Blank

 

Fundstellen

Haufe-Index 440386

EzBAT § 13 BAT, Nr 30 (ST1-3)

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