Rz. 18

Der Zweckwegfall ist der Zweckerreichung nicht gleichzusetzen. Die rechtlichen Konsequenzen hängen von dem Grund der Zweckbefristung ab.

 
Praxis-Beispiel
  1. Es wird als Zweckbefristung[1] eine Beschäftigung bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit durch einen erkrankten Mitarbeiter vereinbart. Dieser scheidet durch Eigenkündigung aus.
  2. Als Zweckbefristung wird vereinbart:

    Erstellung eines Waldschadensberichts über Borkenkäferbefall in der Fläche X.

    1. Das zu untersuchende Gebiet wird vom Orkan Kyrill verwüstet. Die geplante Untersuchung kann deswegen nicht fortgeführt werden.
    2. Der Wald ist nicht betroffen, der Arbeitgeber möchte jedoch im Hinblick auf Schäden in anderen Gebieten das Projekt stoppen und sich eilbedürftigeren Aufgaben widmen.
 

Rz. 19

Teilweise wird § 15 Abs. 2 TzBfG entnommen, dass der Arbeitgeber das Risiko des Zweckwegfalls trage, da der tatsächliche Eintritt der Zweckerreichung der früheste Zeitpunkt der Vertragsbeendigung sein könne.[2] Dies dürfte jedoch über den Schutzzweck von § 15 Abs. 2 TzBfG hinausgehen. § 15 Abs. 2 TzBfG soll dem Arbeitnehmer durch die frist- und formgebundene Unterrichtung Zeit geben, sich auf das vorher nicht bekannte Ende des Arbeitsverhältnisses einzustellen.[3]

 

Rz. 20

Auch im Rahmen des § 15 Abs. 2 TzBfG ist der Rückgriff auf eine ergänzende Vertragsauslegung bei Zweckfortfall möglich.[4] Wird mit der Zweckbefristung im Rahmen eines bestehenden Arbeitskraftbedarfs ein vorübergehender Vertretungsbedarf befriedigt, besteht das Arbeitsverhältnis bei Zweckfortfall weiter.[5] Fällt mit dem Zweckfortfall ein vorübergehender Arbeitsmehrbedarf weg, endet das Arbeitsverhältnis mit der 2-wöchigen Auslauffrist[6] (Beispielfall 2a, Rz. 18). Erfolgt keine Beendigungsmitteilung, kann nach § 15 Abs. 6 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen.[7] Die ergänzende Vertragsauslegung endet jedoch da, wo der Grund des Zweckfortfalls nicht selbst Inhalt einer wirksamen Zweckvereinbarung sein könnte (Beispielsfall 2b, Rz. 18), da ansonsten das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer übertragen würde. Da Befristungsvereinbarungen typischerweise vom Arbeitgeber vorformuliert sind, ist auch zu beachten, dass nach den §§ 310 Abs. 3 Nr. 2, 305c Abs. 2 BGB Unklarheiten zulasten des Arbeitgebers gehen.[8]

 
Hinweis

Auf jeden Fall kann der Arbeitgeber bei Zweckwegfall betriebsbedingt ordentlich kündigen, wenn der Arbeitsmehrbedarf weggefallen ist und keine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz möglich ist. Eine solche vorsorgliche Kündigung ist zulässig. Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bedarf keiner Vereinbarung, wenn die vereinbarte Zweckbestimmung unwirksam oder unbestimmt war.[9]

[1] Zur Abgrenzung Zweckbefristung/auflösende Bedingung Rambach, § 21, Rz. 3; vgl. auch BAG, Urteil v. 26.6.2011, 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346.
[2] Däubler/Deinert/Zwanziger/Däubler, 11. Aufl. 2020, KSchR, § 15 TzBfG, Rz. 4; Boewer, TzBfG, 1. Aufl. 2002, § 15 TzBfG, Rz. 15.
[3] BT-Drucks. 14/4374 S. 20.
[4] Vgl. hierzu BAG, Urteil v. 26.6.1996, 7 AZR 674/95, NZA 1997, 200, KR/Lipke/Bubach, 13. Aufl. 2022, § 15 TzBfG, Rz. 10.
[5] Beispielsfall 1, Rz. 18, nach BAG, Urteil v. 26.6.1996, 7 AZR 674/95, NZA 1997, 200; so auch Annuß/Thüsing/Maschmann, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 15 TzBfG, Rz. 2.
[6] ErfK/Müller-Glöge, 23. Aufl. 2023, § 15 TzBfG, Rz. 2; HaKo/Mestwerdt, 7. Aufl. 2021, § 15 TzBfG, Rz. 7.
[7] Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Schüren/Moskalew, 9. Aufl. 2019, § 15 TzBfG, Rz. 5.
[8] HK-ArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2022, § 15 TzBfG, Rz. 4.
[9] S. Spinner, § 16, Rz. 13.

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