Rz. 29

Die Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden fällt nach überwiegender Meinung nicht in den Anwendungsbereich von § 12 TzBfG.[1] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Anordnung von Mehrarbeit/Überstunden § 12 TzBfG zuordnen wollte.[2] Die 4-tägige Ankündigungsfrist ist daher bei der Anordnung von Mehrarbeit/Überstunden in Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsverhältnissen nicht zu beachten.[3]

 

Rz. 30

Die Befugnis zur Anordnung von Mehrarbeit/Überstunden ist nicht selbstverständlicher Teil des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Sie bedarf einer besonderen Grundlage. Diese kann auch eine Betriebsvereinbarung sein.[4] Die Angemessenheit der vertraglich dem Arbeitgeber eingeräumten Befugnis bestimmt sich nach § 307 Abs. 1 BGB.[5]

 

Rz. 31

Bei Teilzeitarbeitsverhältnissen ist zu prüfen, ob es sich trotz der Bezeichnung als Mehrarbeit um Abrufarbeit mit vereinbarter Mindestdauer handelt.[6] Denkbar ist, dass durch die Bezeichnung als Mehrarbeit die zu wahrende Ankündigungsfrist umgangen wird und der Arbeitgeber sich rechtsmissbräuchlich[7] so ein noch größeres Flexibilisierungspotenzial erhalten will.

 

Rz. 32

Dem Schutzgedanken des § 12 TzBfG wird die von Preis[8] aufgezeigte Lösung gerecht:

  • Mehrarbeit liegt dann vor, wenn der Teilzeitarbeitnehmer verpflichtet ist, an den Überstunden der Vollzeitarbeitnehmer teilzunehmen und es sich um einen vorübergehenden und unregelmäßigen Bedarf handelt, der auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht.
  • Abrufarbeit liegt vor, wenn eine selbstständige, nicht auf Unregelmäßigkeit und Dringlichkeit beschränkte Verpflichtung zur Mehrarbeit besteht.
  • Keine Mehrarbeit liegt vor, wenn bei einem Arbeitsvertrag mit Mindestarbeitszeit das Stundensoll erhöht wird.[9]
 

Rz. 33

Diese Abgrenzung gilt insbesondere dann, wenn in Abrufarbeitsverhältnissen die Befugnis zur Anordnung von Mehrarbeit vereinbart wird. Die Abrufarbeit soll es bei Beachtung der Vorgaben des § 12 TzBfG dem Arbeitgeber ermöglichen, auf einen schwankenden betrieblichen Bedarf zu reagieren. Den einzuhaltenden Vorgaben, insbesondere der zu wahrenden Ankündigungsfrist, kann sich der Arbeitgeber nicht durch die Anordnung von Mehrarbeit entziehen.[10] Im Hinblick auf die Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB und das Transparenzgebot muss die entsprechende Beschränkung der Pflicht zur Mehrarbeit vertraglich benannt sein.

[1] Vgl. z. B. Hanau, RdA 1987, 25, 28 zu § 5 BeschFG; MünchArbR/Schüren, Bd. 1, 5. Aufl. 2021, § 45, Rz. 26; MünchKomm/Müller-Glöge, Bd. 5, 9. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 10.
[2] ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 11.
[5] Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen nach der Schuldrechtsreform, 1. Aufl. 2003, S. 267, die Überstundenklauseln, die das Anordnungsrecht nicht auf nicht geplante dringende betriebliche Erfordernisse beschränkt, für bedenklich hält.
[6] S. hierzu BAG, Urteil v. 7.12.2005, 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423.
[7] ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 11; BeckOK, ArbR/Bayreuther, 67. Ed. 1.3.2023, § 2 TzBfG, Rz. 5.
[8] Näher Preis/Schneider, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, II A 90, Rz. 105 ff.
[9] So auch BAG, Urteil v. 7.12.2005, 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423.
[10] MünchArbR/Schüren, Bd. 1, 5. Aufl. 2012, § 45, Rz. 28.

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