Rz. 41

§ 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG enthält abweichend vom Wortlaut des § 4 BeschFG die Vorgabe, dass eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit zu vereinbaren ist. Aus dieser Änderung des Wortlauts wird abgeleitet, dass die Woche als Bezugszeitraum vorgegeben ist und die vereinbarte Wochenarbeitszeit in jeder Woche abgerufen werden muss.[1] Dieses Verständnis wäre das Aus für Abrufarbeit, da Durchschnittsberechnungen mit einem längeren Bezugszeitraum nicht möglich wären.

 

Rz. 42

Den Streit um den Bezugszeitraum hat das BAG in der Entscheidung vom 7.12.2005[2] nicht beantwortet. Die knappen Ausführungen lassen keine zwingenden Schlussfolgerungen zu.[3] Der Hinweis des BAG darauf, dass ein Verständnis der wöchentlichen Arbeitszeit als starre Vorgabe das Aus für Abrufarbeit bedeuten würde, mag für die Woche als Bezugszeitraum sprechen. Die Beschränkung des Flexibilisierungspotenzials auf eine Veränderung der Dauer der Arbeitszeit in der Woche um 25 % würde vertraglichen Regelungen zu Abrufarbeit entgegenstehen, die zwar bezogen auf die jeweilige Woche zu größeren Differenzen bei der wöchentlichen Arbeitszeit führen würden, über einen längeren Bezugszeitraum die Arbeitszeitdauer jedoch überhaupt nicht flexibilisieren.

 
Praxis-Beispiel

Es wird vertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vereinbart, die im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten (Bezugszeitraum) erreicht werden muss. Die wöchentliche Arbeitszeit kann zwischen 25 und 35 Stunden betragen. Ist diese Vereinbarung unwirksam, weil die Bandbreite der wöchentlichen Arbeitszeit 25 % übersteigt?

Lösung

Mehrere Lösungen sind denkbar:

  • Bei Abrufarbeit ist der Bezugszeitraum für die Verteilung der Arbeitszeit die Woche.
  • Festgeschrieben und zu leisten ist die wöchentliche vertraglich festgelegte Mindestarbeitszeit. Für die darüber hinausgehende Arbeitszeit (Flexibilisierungspotenzial von 25 % der Mindestarbeitszeit) kann als Bezugszeitraum ein längerer Zeitraum gewählt werden.
  • § 12 TzBfG enthält keine Vorgaben zum Bezugszeitraum. Die Ausgestaltung der Verteilung unterliegt der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.
 

Rz. 43

Der Wortlaut gibt nicht zwingend die Woche als Bezugszeitraum vor.[4] So wird auch die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ebenfalls zu vereinbarende tägliche Arbeitszeit nicht als Bezugszeitraum angesehen, vielmehr als Verpflichtung, zu vereinbaren, für wie lange der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an den Tagen einsetzen muss, an denen die Arbeitsleistung in Anspruch genommen wird. So wie die zu vereinbarende tägliche Arbeitszeit den Arbeitgeber nicht zum täglichen Einsatz des Arbeitnehmers verpflichtet, verlangt die zu vereinbarende wöchentliche Arbeitszeit nicht den entsprechenden wöchentlichen Einsatz.

 

Rz. 44

Der Gesetzgeber definiert in § 2 Abs. 1 Satz 1 TzBfG die Teilzeitbeschäftigung über die Wochenarbeitszeit. § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist daher zunächst als Verpflichtung zu verstehen, die Arbeitszeitdauer vertraglich entsprechend dieser Definition festzuschreiben und eine variable Arbeitszeitdauer zu verbieten.[5] Vorgeschrieben ist die Vereinbarung eines über die Woche definierten Arbeitszeitumfangs ohne Regelung zur Verteilung. Flexiblen Arbeitszeitmodellen wie der Abrufarbeit ist es wesenstypisch, dass nicht täglich und wöchentlich die gleiche Arbeitszeit erbracht wird. Es kann nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber eine im Vergleich zu § 4 BeschFG so weit reichende Einschränkung der Zulässigkeit der Abrufarbeit vornehmen wollte, wenn er in der Gesetzesbegründung[6] nur auf klarere Regelungen zur Kompetenz der Tarifvertragsparteien hinweist.[7] Ähnlich wie § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verwendet im Übrigen das BAG den Begriff "Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit" bei § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Das BAG versteht hier die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit als Umfang des vom Arbeitnehmer vertraglich geschuldeten Arbeitszeitvolumens.[8] Wenn das BAG in ständiger Rechtsprechung ausführt, die "Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit" unterliege nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG, ist daher nur die durchschnittliche Wochenarbeitszeit zur Definition des mitbestimmungsfreien Arbeitszeitvolumens gemeint in Abgrenzung zur mitbestimmungspflichtigen Verteilung.[9] Mit dem Verständnis als zu vereinbarendes Arbeitszeitvolumen, definiert über die Wochenarbeitszeit, wird auch eine verlässliche Berechnungsgrundlage für Einkommen und den sozialversicherungsrechtlichen Schutz geschaffen.[10]

 

Rz. 45

Geht man von diesem Verständnis des § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG aus, kann als Bezugszeitraum der zu erreichenden durchschnittlichen Wochenarbeitszeit bis zu einem Jahr gewählt werden, da das TzBfG eine Begrenzung nicht regelt und in § 2 Abs. 1 Satz 2 TzBfG das Jahresdeputat erwähnt ist. Sind Jahresarbeitszeitverträge in Teilzeit zulässig, gilt dies auch für Abrufarbeit.[11]

 

Rz. 46

Dabei wird bei der Zulässigkeit der Änderungsvorbehalte bei einem längeren Bezugszeitraum neben den durch § 12 TzBfG gesetzten Grenzen entscheidend sein, dass d...

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