Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist in vielen gesetzlichen Regelungen verankert, die allesamt Spezialregelungen zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen und vorrangig anwendbar sind. Daher ist eine Abgrenzung von diesen spezielleren Diskriminierungsverboten notwendig.

 
Praxis-Beispiel

Gesetzliche Regelungen mit Pflicht zur Gleichbehandlung

Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer kann sich für den öffentlichen, grundrechtsgebundenen Arbeitgeber aus den allgemeinen und besonderen Gleichheitssätzen (etwa Art. 33 Abs. 2 und 3 GG) und den speziellen Differenzierungsverboten der Verfassung (insbesondere Art. 3 Abs. 3 GG) unmittelbar ergeben.

Im Übrigen folgt für Arbeitgeber die Pflicht zur Gleichbehandlung für viele Bereiche aus einfachgesetzlichen Regelungen, etwa aus § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)[1], aus § 4 Abs. 2 TzBfG[2], aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und nicht zuletzt aus § 164 Abs. 2 SGB IX bezüglich Menschen mit Behinderung. Zu beachten ist ferner der in Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) positiv gesetzlich normierte Grundsatz der Entgeltgleichbehandlung für Frauen und Männer bei gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit sowie das in Art. 18 AEUV normierte Diskriminierungsverbot. Beide Grundsätze entfalten auch unter Privaten unmittelbare Wirkung. Seit dem 6.7.2017 gilt im Übrigen das Entgelttransparenzgesetz, das dem Ziel dient, das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen.

Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die besonderen Diskriminierungsverbote haben jeweils ihre eigene Entstehungsgeschichte, Zielrichtungen und Rechtsfolgen. Der besondere Diskriminierungsschutz etwa aus §§ 7, 1 AGG, § 4 TzBfG oder §§ 8, 9 Abs. 1, Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verbietet Unterscheidungen nur nach bestimmten Merkmalen. Diese Differenzierungsverbote beinhalten haben auch jeweils eigene Maßstäbe zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen. So sind Vereinbarungen unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zulasten von Leiharbeitnehmern grundsätzlich unwirksam.[3] Beim Geschlecht kommt es hingegen auf die Unverzichtbarkeit der Unterscheidung an[4], bei der Behinderung darauf, ob sie eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung[5] darstellt, bei Teilzeit- und befristet Beschäftigten schließlich genügt ein sachlicher Grund.[6]

Die speziellen Diskriminierungsverbote sind durchweg zwingender Natur und daher vertraglich nicht abdingbar, d. h. es kann nicht durch vertragliche Vereinbarungen davon abgewichen werden. Das verhält sich grundlegend anders mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der dispositiv, d. h. vertraglich abdingbar ist.[7]

Greift eine spezialgesetzliche Regelung, so gilt nur diese. Der arbeitsrechtliche Grundsatz ist dann nicht – oder allenfalls unterstützend[8] – anwendbar.

 
Wichtig

Herleitung der Pflicht zur Gleichbehandlung

Es ist u. a. deshalb in jedem konkreten Anwendungsfall unerlässlich, genau zu bestimmen, woraus sich die Pflicht zur Gleichbehandlung herleitet und ob eine (vorrangige) spezialgesetzliche Regelung vorliegt.

[7] ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, BGB § 611a, Rz. 670.
[8] Däubler/Beck/Peter Schrader/Jens Schubert, 5. Aufl. 2022, AGG § 2, Rz. 175.

1.2.1 Abgrenzung zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG

 
Hinweis

Hintergründe

Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verpflichtet als Grundrecht in seiner Schutzfunktion den Gesetzgeber und subsidiär auch die Rechtsprechung, bei der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung gleichheitswidrige Regelbildungen auszuschließen. In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich aus diesem allgemeinen Gleichheitssatz die Pflicht des Staates, gravierende soziale Unterschiede soziologisch zutreffend zu erfassen und bei der Regelbildung zu berücksichtigen. Individualansprüche bestimmten Inhalts lassen sich daraus allein allerdings nicht herleiten.

Art. 3 GG gilt nicht unmittelbar auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Mit Ausnahme der öffentlichen Arbeitgeber sind die Arbeitsvertragsparteien nicht Grundrechtsadressaten.[1] Der Arbeitnehmer kann sich gegenüber dem (privaten) Arbeitgeber damit nicht unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 3 GG berufen.

Die Institutionen und Personen, die im Arbeitsverhältnis Regeln bilden, sind dennoch an Gleichbehandlungsgrundsätze gebunden, weil die Gleichbehandlungsgebote der Verfassung letztlich stets als fundamentale Handlungsanleitungen an jeden Normgeber[2] angesehen werden: So erlangt Art. 3 Abs. 1 GG seine im Arbeitsrecht wesentliche Bedeutung bei der privatautonomen Normsetzung. Das gilt vor allem für die Ausgestaltung der Tarif- und Betriebsautonomie, aber auch bei der Ausformung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Rechtsprechung. So ist den Betriebsparteien du...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge