Workday kauft das schwedische Startup Sana für rund 1,1 Milliarden US-Dollar. Auf der Workday Rising in Las Vegas wurde die Botschaft klar formuliert: Lernen endet nicht mehr bei Kursen oder Videos – es geht ums Handeln. Sana gilt als Pionier für KI-Agenten im Corporate Learning. Die Plattform kombiniert Lernen, Wissensmanagement und Prozessautomation. KI-Agenten schlagen nicht nur Inhalte vor, sondern lösen auch Aufgaben aus: vom Anlegen eines Tickets bis zum Starten ganzer Workflows.
Der bekannte US-Marktanalyst Josh Bersin nutzt Sana als Motor für sein HR-Tool Galileo und ist daher mit der Software bestens vertraut. In seinem Blog kommentierte er den Deal wie folgt: "Dies ist nicht nur eine Akquisition – es ist Workdays Statement, dass die Zukunft von HR und L&D KI-gesteuerte Ausführung, nicht Content-Management ist."
Konsolidierung mit Signalwirkung
Die Übernahme reiht sich in eine Welle von Konsolidierungen ein. So hat die auf HR-Software spezialisierte Beteiligungsgesellschaft Thoma Bravo gerade Dayforce, einen Wettbewerber von Workday, für über 12 Milliarden Dollar gekauft. SAP investiert in seine Copilot-Strategie. Microsoft erweitert Viva. Salesforce setzt massiv auf Agenten.
Workday hatte bisher ein solides, aber wenig innovatives Learning-Modul. Nun bringt Sana eine KI-native Plattform ins Haus, die von Grund auf für Automatisierung und personalisierte Lernerlebnisse entwickelt wurde – und damit eine neue Kategorie einleitet. Für Sana selbst ist es ein Ritterschlag. Noch im Jahr 2023 sammelte das Unternehmen 130 Millionen Dollar in einer Finanzierungsrunde ein. Im Frühjahr 2025 folgte die Übernahme des Automation-Startups CTRL, um die Sicherheitsmechanismen ("Guardrails") zu stärken. Nun wird Sana Teil einer globalen Suite mit mehr als 65 Millionen Endnutzern.
KI als Konvergenz-Treiber
Der aktuelle Fosway-Report "AI Market Assessment for Learning Systems 2025" liefert den passenden Kontext. Die Mehrheit der Lernsysteme setzt KI lediglich oberflächlich ein, beispielsweise für Empfehlungen oder Suchfunktionen. Nur eine kleine Spitzengruppe treibt den Markt wirklich voran. Fosway beschreibt einen Konvergenz-Trend, bei dem die Bereiche Learning Management, Experience und People Systems zusammenwachsen. Sana gehört dem Report zufolge klar zu dieser Spitzengruppe.
Für Workday bedeutet die Übernahme den Sprung vom klassischen HCM-Anbieter zu einem integrierten People- und Learning-Ökosystem. Sanas Plattform verwischt die Grenzen zwischen Lernen, Wissensmanagement und HR-Prozessen. Zu den Kernfunktionen gehören eine semantische Wissenssuche über Dokumente, Richtlinien und Kurse hinweg, KI-gestütztes Authoring, das Inhalte automatisch generiert und personalisiert, KI-Agenten, die Fragen beantworten, Tickets erstellen und Prozesse anstoßen, sowie selbstständig ablaufende Workflows (Automatisierung).
Das klassische "Learning in the flow of work" wird so zu einem "Executing in the flow of work". Wissen wird nicht nur vermittelt, sondern direkt in Handlungen übersetzt. Ein Beispiel: Anstatt nur eine Compliance-Schulung zu absolvieren, kann ein Mitarbeitender die passenden Maßnahmen sofort umsetzen – etwa Formulare einreichen oder Berechtigungen anfordern.
Strategische Motive
Der HCM-Markt ist ein reifer Markt mit einer abflachenden Wachstumskurve. Zwar verfügt Workday über riesige HR- und Finanzdatenmengen, die ideal für KI-Anwendungen sind. KI-Agenten benötigen jedoch mehr als Daten: Sie benötigen Kontext, aktuelle Inhalte und Flexibilität. Genau diese Bausteine liefert Sana.
Der Zeitpunkt ist auch aus Investorensicht clever gewählt: Zeitgleich mit dem Deal stieg der aktivistische Investor Elliott mit 2 Milliarden US-Dollar bei Workday ein. Die Botschaft, dass Workday investiert, um nicht von SAP, Microsoft oder Salesforce abgehängt zu werden, kam beim Kapitalmarkt an. Die Börse reagierte vorsichtig positiv.
Paradigmenwechsel nur für die Großen?
Der Sana-Deal markiert einen Paradigmenwechsel: Lernen wird nicht mehr als separater Prozess betrachtet, sondern als Teil des täglichen Handelns. Fosway fasst es wie folgt zusammen: "Nur wenige Anbieter schaffen es derzeit, Learning, Knowledge und People Systems wirklich zu integrieren." Mit Sana gehört Workday nun dazu. Ich frage mich, wie weit dieser Deal die Entwicklung tatsächlich voranbringt und vor allem, wann auch kleinere Unternehmen davon profitieren. Für sie sind Anbieter wie Workday keine Option, aber auch sie würden von einer Integration von Lern-, Wissens- und Personalmanagementsystemen wirklich profitieren.
Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Zeitschrift "personalmagazin - neues lernen" die Trends auf dem E-Learning-Markt.