KI und digitale Tools im E-Learning

Inmitten allen Wirbels um den neuesten Hype für digitale Tools ist die E-Learning-Branche ein gutes Kontrollgremium, um diese Entwicklungen zu erden. Denn hier geht es in erster Linie um den Nutzen für Menschen und Unternehmen. Zu sehen war das einmal mehr auf der Leitmesse der E-Learning-Branche, der Learntec in Karlsruhe, wie unsere Kolumnistin Gudrun Porath beobachtet.

Die E-Learning-Branche in Deutschland ähnelt einer Familie, die sich einmal im Jahr auf der Learntec trifft. Mal kommen neue "Familienmitglieder" dazu, mal verschwinden welche, aber immer bekommt man einen guten Überblick, was gerade so läuft und wie sich Trends und Hypes entwickeln.

KI wie Chat GPT – zwischen Allzwecktool und vorsichtiger Zurückhaltung

Die Reihe der Beispiele beginnt mit ChatGPT. Das Large Language Model entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Schüler schummeln beim Abitur, E-Learning-Anbieter schreiben damit noch schnell vor der Messe Informationsmaterial über die eigenen Produkte. Investoren lassen die Börsenkurse von Online-Lernplattformen wie Chegg und Bildungsverlagen wie Pearson abstürzen, weil die künstliche Intelligenz als "Lehrmeister" das bisherige Geschäftsmodell bedroht. Insbesondere Content-Anbieter ziehen den Kopf ein oder tun sich zusammen, weil der KI hier große Chancen zugeschrieben werden. Warum noch Tausende Euro für aufwendig erstellte Inhalte ausgeben, wenn man das per Prompt doch eben mal schnell nebenbei selbst erledigen kann. Auf der Learntec aber waren viele Kunden zu finden, die davon nichts wissen wollten. Die sich wohl bewusst waren, dass auch die KI keine guten Lösungen liefert, wenn sie nicht gut gefüttert wird. Zum Beispiel von Menschen, die pädagogisch gebildet sind und genau wissen, wie die Befehle bzw. Prompts lauten müssen, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen.

Weiterbildungsplattformen: Präsenz der Learning Management Systeme

Ein ähnliches Phänomen lässt sich im Zusammenhang mit Learning Experience Plattformen beobachten. Erinnern Sie sich noch an den Hype, den diese ausgelöst haben? Unbedingt im Netflix-Style gestaltet, mit automatisierten Lernempfehlungen, gerne mit dem Zusatz versehen "KI-basiert", sollten sie die Lernenden begeistern und motivieren und Lernen am Arbeitsplatz auf ein neues Level bringen. Gleichzeitig wurden die eher bieder daherkommenden Learning Management Systeme von den Auguren der Branche aufs Abstellgleis geschoben. Auf der Learntec war zu beobachten, dass LMS mitnichten verschwunden sind. Stattdessen präsentierten sich dort so viele Anbieter von LMS wie vielleicht noch nie zuvor und sowohl im Start-up-Bereich wie bei den etablierten Ausstellern gab es sogar neue LMS zu sehen. Natürlich sind viele kaum noch mit ihren Vorgängern zu vergleichen und erscheinen längst auch im beliebten Netflix-Style. Aber die Standard-Funktionen erfüllen sie immer noch, erweitert um LXP-Funktionen. Umgekehrt herum haben die LXP-Anbieter versucht, diese Verwaltungsfunktionen zu ergänzen.

Von Metaverse, Virtual und Augmented Reality

Und dann haben wir da noch das Metaversum, Virtual Reality und Augmented Reality. Auch wenn der Hype um diese Technologien merklich abgeflaut ist, bahnen sie sich langsam, aber stetig ihren Weg in die Unternehmen, weil sie in bestimmten Bereichen und für bestimmte Zwecke ihren Nutzen unter Beweis gestellt haben. Und wer weiß, vielleicht gibt die Apple-Brille, die in dieser Woche auf der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC vorgestellt wurde, dem Thema einen weiteren Schub. Aber sicher ist das nicht und vor allem kann es angesichts der hohen Kosten noch dauern.

Lerntechnologien: Fazit

Das Fazit? Technologie-Hypes können eine beeindruckende Geschwindigkeit und Innovationskraft mit sich bringen. Ich mag sie, probiere vieles aus und habe Spaß daran, darüber zu schreiben. Aber sie lösen nicht unbedingt ältere, etablierte Technologien ab. Vielmehr entwickelt sich eine Art symbiotisches Verhältnis, bei dem neue und alte Technologien ineinanderfließen, sich ergänzen und Innovationen anstoßen. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, die Balance zwischen der Nutzung bewährter Technologien und der Erkundung neuer Möglichkeiten zu finden. Und vielleicht ist das der wahre "Ground Control" für jeden Hype: Sich nicht von der Geschwindigkeit und dem Glanz der neuen Technologien blenden zu lassen, sondern den Wert jeder Technologie – ob alt oder neu - für den eigenen Kontext zu erkennen und zu nutzen.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Zeitschrift "personalmagazin - neues lernen" die Trends auf dem E-Learning-Markt