Wirtschaftspsychologie: Zielsetzung - Was ist wichtig?

So mancher Mythos geistert durch die Personalabteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt in seiner monatlichen Kolumne über die Fakten auf und gibt Tipps für die Praxis. Heute: Warum Sie bei der Zielsetzung nicht nur am SMART-Modell orientieren sollten.

Der letzte Jahreswechsel wird für viele Menschen wieder Anlass gewesen sein, sich selbst Ziele zu setzen. Vielleicht haben auch Sie sich vorgenommen, in diesem Jahr gesünder zu leben, mehr Sport zu treiben, weniger zu rauchen, sich mehr Zeit für Familie und Hobbys zu nehmen.
Jetzt, einige Wochen nach dem Jahreswechsel, könnte man schon innehalten und sich fragen, was aus diesen Zielen geworden ist. So mancher wird sie inzwischen wohl schon völlig aus dem Blick verloren haben. Andere denken noch hin und wieder an ihre Ziele, aber nur vergleichsweise wenige von uns dürften sie konsequent verfolgt haben.
Je weiter die Zeit voranschreitet, desto größer wird die Zahl derjenigen, die sich selbst eingestehen müssen, dass sie ihre Ziele in diesem Jahr nicht mehr erreichen werden. Wie gut, dass man jetzt nur noch einige Monate warten muss und dann beginnt das Spiel wieder von vorn. Bestimmt wird beim nächsten Versuch alles besser.

Zielsetzung kann wirksam sein

Ziele spielen nicht nur im Privatleben eine Rolle. Im beruflichen Kontext zählt die Zielsetzungsmethode seit langem zu den etablierten Instrumenten der Mitarbeiterführung. Auch hier wird man allerdings des Öfteren feststellen müssen, dass die Vorgaben nicht erreicht wurden oder trotz Zielerreichung keine spürbaren Effekte bei Umsatz und Kundenzufriedenheit zu verzeichnen sind.
Dass Zielsetzung wirksam sein kann, belegen zahlreiche empirische Studien. Wenn es dennoch nicht klappt, so liegt es nicht an der Methode an sich, sondern eher daran, dass sie vor Ort nicht optimal umgesetzt wurde.

SMART(e) Zielsetzung

In der Ratgeberliteratur wird die Zielsetzung gern mit dem Akronym SMART gleichgesetzt. Ziele sollten demzufolge (S) spezifisch formuliert, (M) messbar, (A) attraktiv, (R) realistisch und (T) terminiert sein. Verkehrt ist all dies nicht und hilft sicherlich so manchem dabei, auf prinzipiell sinnvolle Punkte zu achten. In der Forschung stehen z. T. allerdings andere Variablen im Vordergrund. Schauen wir uns einmal die wichtigsten Ergebnisse aus verschiedenen Metastudien an:

  • Schwierigkeit der Ziele: Die Zielsetzung führt vor allem dann zu einer Leistungssteigerung, wenn die Ziele eine Herausforderung darstellen. Sie dürfen nicht zu leicht sein – leichte Ziele bedürfen keiner zusätzlichen Anstrengung – aber auch nicht so schwer, dass sie utopisch sind und eine vermehrte Anstrengung daher nicht mehr sinnvoll erscheint. Wer zu stark an der Schwierigkeitsschraube dreht, verliert die Mitarbeiter zunächst mental und später auch physisch.
  • Präzision der Ziele: Ziele müssen so eindeutig formuliert sein, dass jedermann versteht, worin genau die Aufgabe besteht und nach einiger Zeit auch eindeutig festgestellt werden kann, inwieweit sie erfolgreich gemeistert wurde. Präzise sind Ziele, wenn man sie quantifiziert hat. Statt die Losung auszugeben, dass die Kundenzufriedenheit deutlich gesteigert oder der Ausschluss spürbar reduziert werden muss, sollten die Mitarbeiter wissen, dass bei der nächsten Kundenumfrage der Anteil der zufriedenen Kunden um fünf Prozent gesteigert oder der Umsatz in den drei folgenden Quartalen um jeweils zwei Prozent gesteigert werden muss. Je schwieriger die Ziele sind, desto wichtiger ist es, dass sie präzise formuliert werden. Bei schwierigen Zielen ist der Nutzen der Präzision etwa 3,5-mal so hoch wie bei einfachen Zielen.
  • Feedback: Es muss ein klares Feedback darüber geben, inwieweit die Ziele erreicht wurden. Dies ist in der Regel die Aufgabe der Führungskraft. Erstrecken sich die Ziele über einen längeren Zeitraum, so ist es durchaus sinnvoll, auch Zwischenfeedbacks einzuführen, um gegebenenfalls frühzeitig intervenieren zu können, damit am Ende das Ziel auch sicher erreicht werden kann. Das Feedback ist von elementarer Bedeutung. Ein nachlässiges Feedback, das den Stand der Entwicklung nicht klar kommuniziert, bringt das ganze System ins Wanken. Auch hier gilt, dass die Bedeutung des Feedbacks umso mehr wächst, je schwieriger die Ziele sind. Bei schwierigen Zielen ist die Qualität des Feedbacks etwa doppelt so wichtig wie bei einfachen Zielen. Gutes Feedback ist übrigens ebenso ehrlich wie präzise und unterbreitet konkrete Vorschläge zur Veränderung des Verhaltens.
  • Commitment: Die Mitarbeiter sollten sich wenn möglich mit den Zielen verbunden fühlen. Am besten lässt sich dies erreichen, indem sie an der Zielsetzung beteiligt werden (Zielvereinbarung vs. Zielsetzung). Aus dem Bauch heraus würde die meisten nun wohl denken, dass gerade hierin die Stärke der Methoden liegt. Wenn die Mitarbeiter die Ziele des Unternehmens zu ihren eigenen Zielen machen, läuft alles von allein. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Im Vergleich zum Feedback und zur Präzision ist der Einfluss des Commitments auf die Zielerreichung deutlich geringer. Zwar gilt auch hier, dass mit steigender Schwierigkeit der Ziele das Commitment wichtiger wird, sein Einfluss ist aber selbst bei schwierigen Zielen nicht einmal halb so groß wie der des Feedbacks oder der Zielpräzision.

Nicht nur am SMART-Modell orientieren

Die Forschung zur Zielsetzungsmethode ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Wissenschaft dabei helfen kann, zu besseren Praxislösungen zu kommen. Würde man sich allein an der Plausibilität des SMART-Modells orientieren, so würde man die Schwierigkeit der Ziele aus dem Blick verlieren, dem Feedback einen zu geringen, und dem Commitment wahrscheinlich einen übermächtigen Stellenwert beimessen.
Das Schöne an dieser Forschung ist, dass wir sie auch auf unser alltägliches Leben übertragen können. Wenn Sie sich in Zukunft eigene Ziele setzen, versuchen Sie es doch einmal mit anspruchsvollen, quantifizierten Zielen, zu denen Sie regelmäßig ein unverfälschtes Feedback einholen. Na ja, vielleicht im nächsten Jahr.

Schlagworte zum Thema:  Feedbackkultur, Zielvereinbarung, Personalarbeit