Kolumne: Marketing für Coachings

Was ist das Wichtigste bei neuen Coaching-Methoden? Richtig, das Marketing. Wie das bei völlig wirkungslosen Coachings sogar "wissenschaftlich fundiert" gelingt, erklärt Kolumnist Uwe P. Kanning gewohnt ironisch.

Nehmen wir einmal an, Sie hätten sich einen komplett absurden Coaching-Ansatz ausgedacht, den Sie erfolgreich vermarkten wollen. Möglicherweise sind Sie auf die Idee gekommen, ihre Klientinnen und Klienten in jeder Sitzung zunächst betrunken zu machen, damit sie ihre unbewussten Widerstände gegen Ihre Analysearbeit aufgeben. Oder Sie arbeiten nach dem erlebnisorientierten Ansatz und lassen Ihre Wohnung regelmäßig von einem Rudel Manager renovieren.

Coachings erflogreich vermarkten

Vielleicht betonen Sie aber auch die unendliche Kraft der Emotionen und besuchen mit ihren Klientinnen und Klienten wahlweise den nächsten Streichelzoo oder gehen mit ihnen regelmäßig in die Geisterbahn. Natürlich ist Ihr Ansatz ohne jede Wirkung, aber das hat er mit den meisten Ansätzen gemein, die auf dem Coachingmarkt feilgeboten werden. Darum geht es letztlich auch gar nicht. Wichtig ist allein das richtige Marketing. Neben den altbewährten Rezepten – Verweis auf die eigene Erfahrung, Zurschaustellung zufriedener Kunden, Verwendung möglichst vieler nichtssagender Wohlfühlwörter ("Ganzheitlichkeit", "Augenhöhe", "Nachhaltigkeit", "Werte" etc.): Womit wollen Sie von vornherein besonders überzeugen?

Vielleicht versuchen Sie es doch einmal damit, ihrem Ansatz Wissenschaftlichkeit zu unterstellen. Das ist in den letzten Jahren zunehmend beliebt geworden. Sie kennen sich da nicht so richtig aus? Kein Problem, schauen sie sich das richtige Vorgehen einfach bei den Kolleginnen und Kollegen etablierter Ansätze wie etwa NLP, Pferdecoaching oder Organisationsaufstellung ab.

Im einfachsten Fall behaupten Sie nur, dass Ihr Ansatz durch die Forschung gedeckt sei. Das reicht bei den meisten Ihrer Opfer schon aus. Kaum ein Klient wird sich die Arbeit machen, Ihre Behauptung zu überprüfen. Haben Sie einen höheren Anspruch, so kooperieren Sie mit einer Hochschule und bieten Themen für Abschlussarbeiten an. Nur Mut, bei der Wahl der Kooperationspartner ist man dort gar nicht so wählerisch, wenn es nur schön praxisbezogen ist. Wichtig ist natürlich, dass die Studie von vornherein so angelegt ist, dass dabei die gewünschten Ergebnisse herauskommen.

Wissenschaftliche Studien sind Interpretationssache, oder?

Am einfachsten geht dies mit einer qualitativen Studie, in der Sie fünf Tiefeninterviews mit Leuten durchführen lassen, die Ihnen gewogen sind: Drei zahlende Kundinnen und Kunden, Ihre Schwägerin und einen Philosophen, der sich dem hermeneutischen Konstruktivismus verpflichtet fühlt. Eine solche Studie ist ungefähr so aussagekräftig wie eine Befragung von fünf Mönchen danach, ob es den lieben Gott gibt. Aber genau darum geht es ja.

Wenn Sie mutiger sind, wagen Sie sich auf das deutlich dünnere Eis quantitativer Studien. Auch hier lässt sich einiges drehen. Achten Sie unbedingt darauf, dass Ihre Klientinnen und Klienten, die sie selbstverständlich gezielt auswählen, direkt im Anschluss an das Coaching befragt werden. Wenn Sie freundlich sind, für gute Stimmung sorgen und vielleicht sogar andere Menschen leicht überzeugen können, werden Ihre Klienten nur Positives berichten. Sorgen Sie dafür, dass es ausschließlich um subjektive Einschätzungen des Erfolgs geht, die können Sie viel leichter beeinflussen.

Merke: Kleine Effekte erzielen große (Marketing-)Wirkung!

Vermeiden Sie Vorher-Nachher-Messungen. So umgehen Sie die Aufdeckung einer grundlegenden Schwäche Ihres Coachings: Die Probleme der Klienten werden nach dem Coaching nicht geringer als zuvor sein oder haben im schlimmsten Falle vielleicht sogar zugenommen.

Lässt sich dies nicht vermeiden, so sollten Sie möglichst viele Variablen erheben. Je mehr Sie erheben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich am Ende irgendwo ein winzig kleiner, positiver Effekt ergibt, den Sie anschließend großreden können. Wenn möglich, lassen Sie die anderen Variablen später einfach unter den Tisch fallen. Kleine Effekte lassen sich auch dadurch erzielen, dass Sie eine möglichst feingliedrig abgestufte Skala einsetzen. Später sprechen Sie nur von einem signifikanten Effekt und zeigen beispielsweise einen Anstieg der Lebenszufriedenheit um drei Punkte. Dass drei Punkte auf einer Skala von 0-40 ein Fliegendreck ist, wird keiner merken.

Setzen Sie keinesfalls Kontrollgruppen ein. Kontrollgruppen sind gefährlich, weil sie zeigen könnten, dass die Zunahme an Lebenszufriedenheit bei Ihren Klientinnen und Klienten geringer ausfällt als bei Menschen, die in derselben Zeit Vitaminbonbons gelutscht haben. Verhindern Sie die Publikation der Ergebnisse, wenn Sie Ihnen nicht gefallen. Hochschulen haben zu diesem Zweck den sogenannten "Sperrvermerk" eingeführt. Er sorgt dafür, dass nie wieder jemand einen Blick in die Abschlussarbeit werfen kann. Das hindert Sie natürlich nicht daran, stolz auf die wissenschaftliche Begleitung Ihrer Arbeit zu verweisen.

Sind die Ergebnisse hingegen halbwegs genehm, so publizieren Sie das Ganze in irgendeiner kleinen Verbandszeitschrift, die sich darüber freut, wenn überhaupt mal jemand ein Manuskript einreicht. Eigentlich gar nicht so schwer, oder?


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.

Schlagworte zum Thema:  Coaching, Personalentwicklung, Personalarbeit