Studie zu Nachhaltigkeit und Führung

Deutschlands Führungselite hat das Thema Nachhaltigkeit inzwischen auf dem Radar. Doch schon auf der zweiten Managementebene großer Unternehmen ebbt der Elan deutlich ab. Das ist ein Ergebnis der Studie "Sustainabilty & Leadership" der Personalberatung Odgers Berndtson.

Für drei Viertel der obersten Führungsspitze in Großunternehmen (75 Prozent) ist Nachhaltigkeit ein Muss. Doch nur zwei von fünf Management-Verantwortlichen auf den Führungsebenen darunter (41,3 Prozent) finden Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg ebenso bedeutsam. Nachhaltigkeit bleibt oft ein Thema auf Vorstandsebene, ohne das Gesamtunternehmen zu durchdringen – so eine Kernthese der Odgers-Berndtson-Studie zum Thema Nachhaltigkeit und Führung.

"Greenwashing" als zu vermeidender Image-Schaden

In sechs von zehn Unternehmen hat Nachhaltigkeit – im Sinne von Umwelt-, Sozial- und Governance-Leistungen (ESG) – eine große Bedeutung. Aspekte wie Diversity, Social Governance und ethisches Wirtschaften gehören also neben Klimaschutz auch dazu. Greenwashing betrachten die Befragten aus dem Top-Management als "zu vermeidenden Image-Schaden".  Mehr als 75 Prozent gaben an, dass sie ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten von der Erwartungshaltung und den Präferenzen der Kundinnen und Kunden abhängig machen. Dass auch Investierende fordern, ESG-Kriterien einzuhalten, ist dagegen nur für knapp 30 Prozent der befragten Executives relevant.

Nachhaltigkeit im Unternehmen: nur Messbares zählt

Der Aussage, dass Nachhaltigkeit im Unternehmen messbar sein muss, stimmen 72 Prozent der Befragten zu. Der Grund laut der Studie: Vor allem die jüngeren Generationen wie die "Gen Z" und die "Millennials" forderten messbare Maßnahmen. Die Analyse der Personalberatung ergab zwar, dass 77 Prozent der Unternehmen Indikatoren und Prozesse zur Nachhaltigkeitsmessung etabliert haben. Jedoch bestätigen nur etwas mehr als die Hälfte aller Befragten (55,3 Prozent), dass diese Ziele auch konsequent im strategischen und operativen Geschäft umgesetzt würden.

Motivation zur Nachhaltigkeit versus Incentivierung

"Es reicht nicht, wenn Sustainability top-down verordnet wird. Menschen müssen ihre Haltung verändern, es muss eine intrinsische Motivation geben und keinen Druck von oben – nur so kann man motivieren", lässt sich Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group, als einer von vielen Befragten in der Studie zitieren. Doch offensichtlich steht dem häufig die Incentivierung durch die Vergütungssysteme entgegen. Nur ein Viertel aller befragten Unternehmen (23,9 Prozent) nutzt die variable Vergütung als Incentive für nachhaltiges Handeln. Wie stark Unternehmen diese Komponente im Vergleich zu finanziellen KPIs gewichten, untersucht die Studie gleichwohl nicht. Die Studienmacher halten Incentives für Nachhaltigkeit zudem für überflüssig, wenn Nachhaltigkeit Teil des Purpose und der Unternehmensstrategie ist. Ob sich daraus trotzdem Widersprüche in der Incentivierung ergeben, hängt aber sicherlich von der jeweiligen Gestaltung der Vergütungssysteme ab.

Nachhaltigkeit erfordert neue Führungskompetenzen

Das Thema Nachhaltigkeit ist laut der Studie Chef- und Chefinnensache – und auch aus unternehmerischen Gesichtspunkten dort verankert. Dies beinhaltet einen neuen Führungsstil: Werteorientiertes Führungsverhalten sowie die Vermittlung des Purpose gehören für knapp 90 Prozent der Befragten dazu. Zudem sollen Führungskräfte stärker langfristig denken (85,6 Prozent) und Innovation und Wandel vorantreiben (72 Prozent). Knapp 60 Prozent der befragten Executives glauben gar, dass sie ihre persönliche Vorbildfunktion im privaten Bereich den Unternehmenswerten entsprechend anpassen müssen. Fachliche und technische Expertise in puncto Nachhaltigkeit sind dagegen nicht so relevant – mit einer Nennung von 51 Prozent landete dieser Faktor abgeschlagen am unteren Ende der Skala.

Nachhaltigkeit: Nachholbedarf in Sachen Vorbildfunktion

Nur die Hälfte der Teilnehmenden am Executive Panels waren der Meinung, das Management würde seiner Vorbildfunktion in Sachen Nachhaltigkeit schon gerecht (48,5 Prozent). Fast 50 Prozent der Befragten aus Geschäftsführung und Vorstand achten bereits bei der Einstellung oder Beförderung ihrer Führungskräfte auf ein nachhaltiges Profil. Ein Drittel sieht bei der Zielerreichung der nachhaltigen Ziele vor allem die oder den CSO in der Pflicht. Das Executive-Search-Unternehmen Odgers Berndtson spricht sich dafür aus, das Thema Nachhaltigkeit in einer expliziten Position auf C-Level zu verankern. In 68 Prozent der DAX-Unternehmen und in 55 Prozent der MDAX-Unternehmen sei dies bereits der Fall. Bei den untersuchten nicht börsennotierten Unternehmen sind es nur acht Prozent. In 60 Prozent der Unternehmen ist das Thema auf der Ebene unterhalb des Vorstands und zu 32 Prozent als Stabsstelle angesiedelt.

Sprungbrett CSO – HR außen vor?

Laut der Studie sind die Erwartungen an das CSO-Profil enorm: Er oder sie muss diplomatisch sein, netzwerken, Change Management beherrschen und vor allem die nachhaltige Unternehmensstrategie vorantreiben können – und zudem über mehrjährige Berufserfahrung und eine hohe Reputation im Unternehmen verfügen. Aufgrund der geforderten Kenntnis der Geschäftsstrukturen wird die Aufgabe in den meisten Unternehmen intern besetzt. Doch wer sich auf dem Posten bewährt, dem bescheinigen die Befragten mehrheitlich ein "Sprungbrett nach ganz oben". Die Studie bezeichnet Nachhaltigkeit zwar als "People Business", erwähnt die Rolle von HR jedoch nicht und hat offensichtlich auch die Teilnehmenden der Studie nicht danach gefragt, obwohl einige HR-Executives darunter waren.

Über die Studie

Die Studie "Sustainability & Leadership" basiert auf knapp 60 Interviews mit Personen in Geschäftsführung und Vorstand, einer Befragung von 2.008 Führungskräften aller Management-Ebenen und Branchen aus der DACH-Region und einer strukturellen Analyse in 90 der größten in DAX und MDAX notierten und nicht börsennotierten Unternehmen.


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